Die Tote am Watt
Herr Hauptkommissar! Das wäre mir aber unangenehm.«
»Nun geben Sie schon zu, warum Sie wirklich hier sind, Fietje.«
Fietje schob seine Mütze in die richtige Position. »Hier soll ja was passiert sein.«
»Und? Haben Sie was beobachtet?«
»Ich? Nö, ich doch nicht.«
»Dann darf ich Sie bitten«, sagte Erik sehr förmlich, »den Tatort umgehend zu verlassen. Neugierige können wir hier nicht gebrauchen.«
»In Ordnung, Herr Hauptkommissar.«
Erik stieg in den Wagen und startete, kaum dass Sören sich neben ihn gesetzt hatte. »Wo was passiert, ist Fietje nicht weit.«
»Fietje Tiensch?« Sören blickte noch einmal zurück. »Der ist doch Strandwärter in Wenningstedt, oder?«
Erik nickte. »Am Aufgang an der Seestraße. Und neugierig ist er wie kein Zweiter. Einmal habe ich ihn sogar im Garten eines Ferienhäuschens erwischt, wo er ein junges Pärchen beobachtete, das sich im Freien liebte.«
»Ein Spanner also«, grinste Sören. »Wahrscheinlich wird er deshalb am Textilstrand eingesetzt.«
In der Sparkasse empfing sie der Filialleiter persönlich, der anscheinend schon von der jungen Mitarbeiterin, mit der Sören telefoniert hatte, auf den Besuch der Kriminalpolizei vorbereitet worden war. »Entsetzlich, der Tod von Frau Kern! Sie war eine gute Kundin, uns allen sehr vertraut.«
Erik runzelte die Stirn und betrachtete den Filialleiter ausgiebig. Er war der Erste, der so etwas wie Bedauern zeigte angesichts der Tatsache, dass Christa Kern nicht mehr unter den Lebenden weilte. Sein Blick wanderte zu der jungen Sparkassenangestellten, die ihrem Chef anscheinend nicht zustimmen wollte. Alles sah ganz danach aus, als wäre dem Filialleiter nur Christa Kerns Kontostand vertraut, während die Erinnerungen der jungen Angestellten woanders waren. Erik fielen wieder Heide Pedersens Worte ein. Anscheinend hatte Christa Kern wirklich nicht viele Freunde.
»Sie haben also Frau Kern vierzigtausend Euro in bar ausgehändigt?«
Die junge Frau nickte. »Ja. Sie kam gegen sechzehn Uhr.«
»Haben Sie sich nicht gewundert, dass sie eine so große Summe in bar haben wollte?«
»Sie hat mir erzählt, dass sie beabsichtigte, ein Bild zu kaufen. Und dass der Verkäufer das Geld in bar brauchte.«
»Aha.« Erik sah sich in der Schalterhalle um und strich seinen Schnauzer glatt. »Kann es sein, dass jemand die Auszahlung des Geldes beobachtet hat?«
Nun mischte sich der Filialleiter ein. »Derart große Summen werden nicht am Schalter ausgezahlt. Frau Kern ist das Geld in einem unserer Büros übergeben worden. Niemand war Zeuge. Das wäre ja viel zu gefährlich.« Er sah seine Mitarbeiterin scharf an. »Oder war das etwa nicht so?«
»Doch, natürlich war das so«, bestätigte die junge Frau.
»Hat Frau Kern ihren Wunsch nach den vierzigtausend Euro laut und deutlich geäußert? Kann das jemand mitbekommen haben?«
Die Angestellte dachte nicht lange nach. »Frau Kern legte keinen großen Wert auf Diskretion. Sie hat nach den vierzigtausend gefragt wie andere nach vierzig Euro.«
»Bitte, denken Sie nach.« Erik sah sie eindringlich an. »War jemand in der Schalterhalle, als Frau Kern nach den vierzigtausend Euro fragte?«
Der Filialleiter betrachtete seine Mitarbeiterin nervös, aber die behielt die Nerven und dachte gründlich nach. Dann nickte sie.
»Ja, es stand jemand am anderen Ende der Schalterhalle.« Sie wies auf einen Ständer, wo Werbeschriften und Prospekte auslagen. »Da blätterte ein Mann in einem Prospekt. Ich glaube, er wartete auf jemanden. Aber er war zu weit weg. Der kann das nicht gehört haben.«
»Sind Sie sicher?«, fragte Sören.
Die Angestellte hob die Schultern. »Ich glaub’s jedenfalls.«
»Kannten Sie den Mann?«, wollte Erik wissen.
Sie nickte. »Ja, flüchtig. Wie er heißt, weiß ich nicht. Aber er hat eine Imbissbude in Wenningstedt, das weiß ich. In der Nähe des Aufgangs zur Seestraße.«
»Tove Griess ist kein unbeschriebenes Blatt«, überlegte Erik, als sie wieder vor der Tür standen. »Wenn er nun doch mitbekommen hat, dass Christa Kern sehr viel Geld abholte, und ihr dann gefolgt ist …«
»Dann hätte er sie unterwegs überfallen.«
»Das war vielleicht nicht möglich. Unterwegs gab es Zeugen.«
»Aber es ist nicht anzunehmen, dass Christa Kern einen Kerl wie Tove Griess ins Haus gelassen hat. Nein, nie im Leben!«
»Und wenn doch? Vielleicht kannten die beiden sich. Zugegeben, es ist nicht sehr wahrscheinlich …«
»Selbst wenn sie ihn ins Haus gelassen
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