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Die Tote am Watt

Die Tote am Watt

Titel: Die Tote am Watt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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nicht gesehen?«
    »Darf’s noch was sein?«, fragte Wolf Andresen.
    »Ich sollte mal wieder Riesencrevetten mit Romesco-Sauce machen«, überlegte Mamma Carlotta. »Und ein paar Scampi brauche ich! In Olivenöl mit vielen Knoblauchzehen mariniert und dann in Mehl gebacken! Delizioso! Und Sardinen, mariniert in Olivenöl, Rotweinessig, Pinienkernen und Sultaninen. E anguilla affumicata! Räucheraal, meine ich.« Sie lächelte ihr schönstes Lächeln. »Ich bin Italienerin und verstehe mich auf die Herstellung von Antipasti. Wo ich auch bin – über kurz oder lang stehe ich in der Küche, um Antipasti einzulegen. Manchmal denke ich, ich hätte reich werden können, wenn ich daraus ein Geschäft gemacht hätte. Aber andererseits bin ich ja froh, dass ich Arbeit habe. Ich kann nicht faulenzen. Ferien? Terribile!«
    »Sind Sie denn nicht auf Urlaub hier?«, fragte Andresen, der geduldig zuhörte, weil ihm das die Zeit gab, alle Löffel in den Marinadeschüsseln nach Westen auszurichten.
    »Eigentlich schon«, nickte Mamma Carlotta und erzählte von der Schulfreundin eines Großcousins, die mit einem Münchner Apotheker verheiratet war und die Absicht gehabt hatte, zwei Monate mit ihren drei Kindern in Wenningstedt zu leben. »Im Dünenhof zum Kronprinzen, dem großen Haus am Ende der Seestraße, direkt neben dem Strandwärterhäuschen.« Wie gut, dass Fietje ihr von diesem Haus erzählt hatte, das unzählige Apartments besaß. »Das jüngste Kind leidet unter chronischer Bronchitis und braucht Nordseeluft. Aber dann bekam das älteste Kind Masern und steckte die jüngeren Geschwister an. Anschließend brach sich das mittlere Kind ein Bein, die Mutter meines Großcousins wurde krank, deren Tochter konnte sich nicht um sie kümmern, weil sie gerade an der Hüfte operiert wurde …«
    Man sah Wolf Andresen an, dass ihm der Kopf schwirrte. Er zählte die Scampi immer wieder ab, weil er, kaum dass er sie von der Waage heruntergenommen hatte, nicht mehr sicher war, dass er die richtige Anzahl abgewogen hatte. »Was hat das alles mit Ihrem Aufenthalt hier zu tun?«, fragte er verwirrt.
    Mamma Carlotta sah ihn an, als hielte sie ihn für begriffsstutzig. »Sollte l’apartamento etwa bezahlt, aber nicht bewohnt werden? Das wäre doch eine fürchterliche Geldverschwendung! Da habe ich mich eben geopfert und bin nach Sylt gekommen. Aber, ehrlich gesagt …« Sie beugte sich vertraulich über die Theke. »Ich langweile mich ein bisschen. Deshalb habe ich angefangen, Antipasti einzulegen und sie an die übrigen Hausbewohner zu verteilen. Im Dünenhof gibt es zum Glück viele Touristen, die mir meine Antipasti aus den Händen reißen.«
    Wolf Andresen, der allmählich ahnte, dass die Erzählung seiner Kundin auf ein bestimmtes Ziel hinauslaufen würde, gab es auf, nach ihren weiteren Wünschen zu fragen. Mit offenem Mund staunte er Mamma Carlotta an, die ihm mit vielen schönen Worten auseinandersetzte, dass Fisch-Andresen mit italienischen Vorspeisen ein gutes Geschäft machen könnte. Es wäre ein Vergnügen für sie, bei ihm zu arbeiten, und das Vergnügen wäre natürlich auch auf seiner Seite, da sie sich mit einem äußerst geringen Lohn zufrieden geben wolle. Schließlich ginge es ihr ja nicht um Profit, sondern um eine sinnvolle Beschäftigung während der langweiligen Urlaubswochen.
    Als sie eine kurze Pause einlegte, weil auch eine Italienerin gelegentlich tief durchatmen muss, sagte Wolf Andresen: »Tja, Frau … Signora …«
    »Anna Rocchi!« Der Geburtsname ihrer Mutter kam Carlotta leicht von der Zunge. Und die Lüge wog, nachdem sie die Schulfreundin ihres Großcousins erfunden hatte, nicht mehr viel. »Wenn Sie wollen, fange ich gleich heute bei Ihnen an. Sie räumen den rechten Teil der Theke frei, und ich sage Ihnen heute Nachmittag, was eingekauft werden muss. Dann haben Sie ab morgen ein neues Angebot, in dem Sie Gosch – wie sagt man? – überlegen sein werden.«
    Wolf Andresen hatte immer noch keine Worte gefunden, aber seine Frau flüsterte ihm zu: »Denk daran, Wolf, dass du Hilfe gebrauchen kannst, wenn ich mit Saskia in den USA bin.«
    Sören lief zwischen Eriks Schreibtisch und der Tür hin und her. »Ich weiß nicht, was ich von dem Kerl halten soll!«
    »Setzen Sie sich hin, Sören«, bat Erik. »Sie machen mich ganz nervös mit Ihrem Büro-Marathon.«
    Sören ließ sich gehorsam auf den Stuhl vor Eriks Schreibtisch fallen. »Man könnte wirklich glauben, dass er ein reines Gewissen hat. Wäre er

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