Coaching to go
Haben Sie Psychologie studiert, Frau Szekely?
Auf die obligatorische Frage, was ich beruflich mache, antworte ich wahrheitsgemäß mit: »Ich arbeite als Coach«, worauf in 90 Prozent der Fälle die nächste Frage kommt, nämlich ob ich Psychologie studiert habe. Bislang habe ich 100 Prozent der Fälle verneint, wohl wissend, dass dies beim Gegenüber ein mehr oder weniger offen kommuniziertes Infragestellen meiner Fähigkeiten als Coach zur Folge hat.
Seit ich mich aber mit hypnosystemischen Denkansätzen und neurobiologischen Erkenntnissen (zu deutsch: Hirnforschung) beschäftige, läuft der Dialog anders ab:
»Haben Sie Psychologie studiert?«
Ja!
»Wo?«
Und dann antworte ich, völlig wahrheitsgemäß:
In Werbeagenturen!
Denn ich weiß jetzt: Was ich all die Jahre als Strategin und Texterin über die menschliche Psyche, die Funktionsweise unseres Gehirns und die Auswirkungen auf unser Verhalten gelernt und angewendet habe, unterscheidet sich nur in einem Punkt von dem, was ich jetzt tue: dem Ziel. Werbemaßnahmen zielen darauf ab, Produkte zu verkaufen, mein Ziel ist es, Menschen zu einem besseren Leben zu verhelfen. Der Weg dahin ist – trotz der gegensätzlichen Ziele – in vielerlei Hinsicht der gleiche.
Ein Beispiel: Werbung verknüpft Produkte mit Erlebniswelten, sodass unser Gehirn diese beiden Dinge miteinander vernetzt, damit wir etwas kaufen. Probieren Sie es aus:
Woran denken Sie bei Bacadi? An eine Flasche Rum oder an eine halb nackte tanzende Frau im Kreise überglücklicher, verdammt gut aussehender Männer und Frauen? Und bei Kinder Pinguí? Und bei Ariel? All die schönen Bilder, Menschen, Gefühlswelten sollen Ihnen suggerieren, dass Sie nur das Produkt kaufen müssen, um auf eine karibische Insel zu reisen und dort mächtig Spaß mit coolen Leuten zu haben. Ein Kinder Pinguí, und Ihre Seele schaukelt in aller Ruhe in der Hängematte in einem wunderschönen Garten. Wir wissen , dass es so nicht ist, aber unser Unterbewusstsein blendet diese Tatsache einfach aus. Wenn wir dann vor den Regalen stehen, nutzt uns unser Wissen nichts.
So ähnlich verhält es sich in Krisenzeiten: Das Wissen um die Realität nutzt uns nichts, vielmehr bedienen wir uns an unseren hausgemachten Bildern und lassen uns durch sie beeinflussen, genauso wie in der Werbung.
Wenn wir zum Beispiel vor einer Prüfung stehen, rufen wir intern Bilder ab, die wir in diesem Zusammenhang bislang entwickelt haben. Nur sind diese Bilder dann naturgemäß nicht annähernd so hübsch, denn nicht die Werbeagentur hat sie produziert, sondern unsere Angst zu versagen.
Ein Hypnotherapeut würde hier vielleicht – ähnlich wie ein Werber, aber natürlich mit eigener Absicht – diese Versagensangst mit einer anderen »Bilder-Welt« verknüpfen, um dem Patienten einen differenzierten Umgang damit zu ermöglichen.
Werbung nutzte die Art und Weise, wie unser Gehirn »tickt«, übrigens schon lange bevor die Neurobiologie in den 70er-Jahren mit amtlichen Ergebnissen aufwartete. Durch computergestützte bildgebende Verfahren gibt es mittlerweile zahlreiche Beweise für die Richtigkeit dessen, was jahrzehntelang sozusagen »intuitiv richtig« angewendet wurde. Die Wissenschaft hat den »Werbebrauch« bestätigt.
Das alles wusste ich damals nicht, als ich 2001 darüber nachdachte, was ich statt Werbung machen könnte. Vieles von dem Wissen, das ich mir damals erschlossen hatte, war im Werbekontext mit einer anderen Terminologie als in der Psychologie verbunden. Was ich wusste, war: Das Ziel – Menschen auf diese Weise zu beeinflussen – wollte ich nicht mehr.
Die Arbeit selbst, die machte mir allerdings großen Spaß. So kam ich zum Coaching und nach und nach zu der Erkenntnis, dass ich mein Wissen in diesem Bereich nutzen kann, um Menschen zu helfen.
Auf die systemische Coaching-Ausbildung folgte eine Ausbildung in Transaktionsanalyse. Zahlreiche Seminare, zum Beispiel in hypnosystemischer Therapie, sowie die Lektüre etlicher Fachbücher und mein nicht zu stillender Wissensdurst um die Belange der menschlichen Psyche versetzen mich heute in die glückliche Lage, auch tiefer liegende Verhaltensmuster nachhaltig bearbeiten zu können – sei es als akute Krisenintervention in Einzelcoachings oder als Prävention in meinen Seminaren.
Mein Know-how und meine Erfahrung als Führungskraft und Text-Dozentin fließen dabei ebenso ein wie meine Kreativität und meine Liebe zur Sprache. Letztere ist – wie bei Leidenschaften üblich
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