Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
traten für eine Zigarre nach draußen, tanzten in dem kleinen Kreis, den die Ritz-Lakaien vor der achtköpfigen Musikkapelle leer geräumt hatten. Armitage fragte sich, ob der junge Robert, der draußen im Flur vor dem Aufzug postiert worden war, noch Wache hielt.
Sein Blick glitt über die Männer, ungefähr dreißig an der Zahl, sortierte die Älteren, die körperlich Untrainierten, die Betrunkenen aus. Dabei blieben zwei - nein - drei übrig, deren Bewegungen er genau im Auge behalten wollte. Zeitverschwendung. Keiner von ihnen sah auch nur entfernt wie ein Fassadenkletterer und Dieb aus. Dennoch, wie sah so ein Kerl schon aus? Das wusste niemand. Verdammt schlau, diese Burschen - wurden nie gefasst. Bei der Einsatzbesprechung hatte ihm sein Inspektor erklärt, dass das Ritz in der Reihe von Einbrüchen und Diebstählen, die in den vergangenen Monaten in Londoner Hotels stattgefunden hatten, sehr wohl das nächste Ziel darstellen konnte. Hin und wieder wurden die Schlafzimmer über die Feuertreppe betreten und durchwühlt, während die Hotelgäste auf irgendeiner Festivität im Haus zugange waren. Man konnte fast meinen, jemand habe überprüft, ob sie anderweitig beschäftigt waren, und dann ihre Zimmer geplündert, aber das würde ja bedeuten, dass der Einbrecher einer von ihnen war, jemand, der ihnen nahestand und sie kannte und der ihre Bewegungen unauffällig beobachten konnte. Ein Angehöriger ihrer Klasse. Eigentlich lag es auf der Hand. Armitage hatte versucht, seinem Chef diese Idee nahezubringen. Aber natürlich war keine Autoritätsperson bereit, das zu glauben. Nicht einmal die Opfer wollten diesen Gedanken zulassen. Diebe gehörten der Unterklasse an, nicht wahr? Mittellose und Überbleibsel des Krieges. »… furchtbar traurig, Liebling, und natürlich kann man das nachvollziehen und hat Mitgefühl, aber dem muss einfach ein Riegel vorgeschoben werden und zwar schnell, bevor wir selbst die Nächsten sind, die sich wegen Schadensersatz an die Versicherung wenden müssen.«
Einmal hatte es eine Augenzeugin gegeben, aber bislang nur eine. Letzten Monat war sie unerwartet auf ihr Zimmer im Hotel Claridge zurückgekehrt und hatte darin einen Mann entdeckt. Er trug Abendgarderobe und war redegewandt. Ein Gentleman, hatte sie gesagt. Charmant und attraktiv. Er hatte sich damit entschuldigt, er habe die Zimmer verwechselt, hatte erklärt, sein eigenes läge einen Stock tiefer, und hatte ihr angeboten, ihr in der Bar einen Drink zu spendieren, um sein Eindringen wiedergutzumachen. Es dauerte einige Zeit, bevor sie merkte, dass einhundert Pfund aus ihrer Handtasche fehlten.
»Viel Glück für dich, Bursche!«, dachte Armitage aufsässig. Er war sich durchaus bewusst, dass er sich jedem brüderlich verbunden fühlte, der den Nerv und die Kunstfertigkeit besaß, von diesen fetten Vögeln seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, und doch wusste er, wenn sich die Gelegenheit bot und er einen dieser sportlichen Langfinger, die er aufspüren sollte, schnappen würde, wäre sein Mitgefühl verschwunden. Er würde ihn ins Kittchen bringen und das Lob dafür einstreichen. »Felix! Felix, du Fassadenkletterer und Dieb! Bist du hier? Tummelst du dich unauffällig in der Menge, versteckt hinter einer modisch schleppenden Stimme und dem dazu passenden Smoking? Baldowerst du gerade dein Opfer aus? Bereitest du dich darauf vor, nach oben zu schleichen und ein Zimmer zu leeren? Zeitverschwendung, Kumpel! Sogar ich könnte dir das sagen. Die Schmuckkästchen stehen allesamt offen und leer auf den Schminkkommoden herum. Der ganze Inhalt ist hier unten … das müssen zehntausende Pfund sein, die hier funkelnd um die unwürdigen Hälse dieser hochnäsigen, alten Schachteln hängen.«
Er betrachtete neuerlich die drei jungen Männer, die schon zuvor seine Aufmerksamkeit geweckt hatten und die am anderen Ende des Raumes eine ernsthafte Unterhaltung pflegten. Sie waren immer noch nüchtern und wirkten geschmeidig, scharfsinnig und klug. Heckten sie gerade etwas aus? Das war durchaus möglich … Armitage wollte nicht, dass irgendwelche Amateure ihm den Abend versauten. Lieber auf Nummer sicher gehen. Er schlenderte an der Wand entlang durch den Raum und näherte sich ihrem Tisch bis auf Hörweite. Sie waren sich seiner Anwesenheit nicht bewusst und setzten ihre ernste Debatte ohne zu zögern fort: eine Debatte über die neuen, rückenfreien, zweireihigen Westen - konnte man diese Dinger tatsächlich tragen? Snooty Felbrigg war in
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