Die Tote im roten Cadillac
hast noch so viel vor dir! Aber ich mache dir einen Vorschlag: Wir wollen ein Jahr lang gute Freunde sein, sehr gute Freunde; und nach einem Jahr werde ich mein Hemd wieder ‘runterziehen, und du wirst mich fragen, ob wir heiraten wollen — was meinst du?«
Sie kämpfte tapfer mit den Tränen und nickte.
»Ja, Randy. Das wollen wir machen. Aber — ein Jahr ist so schrecklich lang.«
»Nur wenn man Siebzehn ist, Audrey. Mit jedem Jahr, das man älter wird, werden die Jahre kürzer. Meine Jahre haben nur noch zehn Monate.«
»Aber meine mindestens sechzehn!« rief sie verzweifelt.
»Na schön«, sagte ich. »Auch diese sechzehn Monate werden vorbeigehen. Wir können uns ja sehen, wann wir wollen, und ich fürchte, ich werde dich sehr oft sehen wollen.«
Ich küßte sie wieder. Ihre Lippen waren weich und heiß wie die Lippen einer blühenden Frau.
Ich stand auf und ging zu meinem Schreibtisch. Ich schlüpfte in das Lederhalfter, holte meinen treuen, alten Colt aus der Lade, kontrollierte die sechs Schuß, die drinsteckten, und befestigte ihn im Halfter, so daß er in meiner linken Achselhöhle hing. Dann zog ich meine Jacke an.
Audrey hatte mir mit ängstlichen Augen zugeschaut.
»Was bedeutet das, Randy?«
»Nichts Besonderes. Weißt du nicht, daß Detektive immer mit schrecklichen Revolvern herumlaufen?«
Sie sprang auf.
»Das ist nicht wahr! Du hast keinen getragen, solange ich dich kenne! Was hast du vor? Sag’s mir, Randy — ich bitte dich!«
»Hast du Angst um mich, Audrey? Jetzt schon, wo wir noch nicht einmal verlobt sind? So was kann ich aber gar nicht brauchen, Kindchen; die Frau, die ich mal heiraten soll, die muß sehr tapfer sein.«
»Nein, ich hab’ keine Angst um dich«, sagte sie, aber ihre Stimme zitterte dabei.
»Komm, Audrey — ich muß jetzt gehen.«
»Ach, Randy — wann sehe ich dich wieder?«
»Heute nachmittag oder heute abend.«
»Bestimmt?«
»Ja, ganz bestimmt. Ich verspreche es dir.«
Ich brachte sie hinunter zu ihrem Wagen und wartete, bis sie weggefahren war. Dann setzte ich mich in meinen alten Plymouth und fuhr nach Glendale.
14
Als ich bei Eddies Haus ankam, war er schon da. Er hatte also nicht gewartet, aber er hatte mich kommen sehen.
»Tatsächlich«, sagte er aufgebracht. »Sie haben Grace wirklich abgeholt. Ich hatte es nicht glauben wollen. Aber es ist die Wahrheit. Ich kann mir einfach keinen Vers drauf machen.«
»Ist jetzt auch nicht nötig«, sagte ich. »Komm, wir holen dein Gepäck, und dann bring’ ich dich weg von hier.«
Wir gingen in sein buntes Zimmer, in dem ich an dem bewußten Morgen aufgewacht war. Er stellte zwei Gläser auf den Tisch, goß mir einen Whisky ein, sich selbst den üblichen Gin.
»Prost!« sagte er. »Prost wie in alten Zeiten — und dann auf in den Kampf!«
»]a«, sagte ich. »Auf in den Kampf!«
Während er sein Glas in einem Zuge leerte, zog ich mein Pulver aus der Tasche, stäubte das Whiskyglas damit ein und drückte die Folie drauf.
Er setzte sein Glas mit einem Ruck ab und schaute mir verwundert zu.
»Was machst du denn da?«
Ich antwortete ihm nicht, sondern arbeitete schnell und sicher weiter. Als ich fertig war, zog ich die Dollarmünze aus der Tasche, wickelte sie aus der Folie und legte die beiden Folien nebeneinander auf den Tisch.
»Damit«, sagte ich zu Eddie, »damit fing das Ganze eigentlich an. Es ist ein Nevada-Dollar, wie ihn die Spieler in der Tasche haben. Schau dir mal die beiden Fingerabdrücke an.«
Er beugte sich über den Tisch und betrachtete die beiden Folien. Er hob sie hoch und hielt sie gegen das Licht, dann legte er sie wieder hin.
»Sie sind gleich«, sagte er erstaunt.
»Ja. Es sind die gleichen Fingerabdrücke, und es waren die gleichen Finger: die an diesem Whiskyglas und die an diesem Dollar.«
Ich nahm den Dollar wieder vom Tisch und ließ ihn in meine Tasche gleiten.
»Ich fand ihn an der Stelle, wo Olivia erschossen worden ist. Es ist dein Dollar, Eddie. Ich kam drauf, daß es dein Dollar sein könnte, als du neulich bei Perino’s dein Taschentuch aus der Tasche zogst und dir dabei die Münzen herausfielen. Hast du dir, nachdem du Olivia erschossen hattest, mit deinem Taschentuch das Blut von den Händen oder den Schweiß von der Stirn gewischt?«
Er starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an.
»Bist du wahnsinnig geworden?« rief er. »Was soll denn dieser Unfug?«
»Ich habe vorhin mit deiner Bank gesprochen, Eddie. Du bist ruiniert. Du hast nicht nur die
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