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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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seine Vorgehensweise wirklich bekannt war.«
    »Jetzt ist sie es«, sagte Wesley.
    Commander Penn hielt vor dem Athletic Club und entriegelte die Türen.
    »Ja«, sagte sie grimmig. »Jetzt ist sie es.«
    Wir trugen uns an einer verlassenen Rezeption ein. Die Lobby war schön eingerichtet, mit alten Möbeln und altem Holz. Marino steuerte zielstrebig auf den Aufzug zu. Ich wußte, warum. Er wollte Molly anrufen, in die er nach wie vor bis über beide Ohren verliebt war, und was immer Wesley und ich vorhatten, interessierte ihn nicht.
    »Ich bezweifle, daß die Bar um diese Uhrzeit noch geöffnet ist«, sagte Wesley zu mir, als sich die Messingtüren hinter Marino schlossen und er in sein Stockwerk hinauffuhr.
    »Bestimmt nicht.«
    Wir blickten uns einen Augenblick lang um, als würde jemand, wenn wir nur lange genug herumstünden, wundersamerweise mit einer Flasche und Gläsern erscheinen.
    »Komm, wir gehen.« Er berührte meinen Ellbogen, und wir gingen zum Aufzug.
    Im zwölften Stock begleitete er mich zu meinem Zimmer, ich war nervös, als ich versuchte, die Tür mit der Plastikkarte zu öffnen, die ich zuerst verkehrt herum hielt. Dann war der Magnetstreifen auf der falschen Seite, und die kleine Lampe in dem Messingknauf leuchtete weiterhin rot.
    »Laß mich mal«, sagte Wesley.
    »Es geht schon.«
    »Trinken wir noch einen Schluck?« fragte er, als ich die Tür aufmachte und das Licht anschaltete. »Um diese Zeit wäre eine Schlaftablette vielleicht sinnvoller.« »Ein kleiner Schluck wird die gleiche Wirkung haben.« Mein Quartier war bescheiden, aber hübsch eingerichtet. Ich stellte meine Tasche auf eins der zwei Betten. »Bist du hier Mitglied wegen deines Vaters?« fragte ich.
    Wesley und ich waren nie zusammen in New York gewesen, und es bedrückte mich, daß es noch ein Detail gab, von dem ich nichts wußte.
    »Er hat in New York gearbeitet. Also ja, deswegen. Ich war als Jugendlicher oft hier.«
    »Die Minibar befindet sich unter dem Fernseher«, sagte ich.
    »Ich brauche den Schlüssel.«
    »Natürlich.«
    In seinen Augen blitzte es amüsiert, als er den kleinen Schlüssel aus meiner ausgestreckten Hand nahm. Seine Finger berührten meine Handfläche mit einer Zärtlichkeit, die mich an frühere Zeiten erinnerte. Wesley hatte seine eigene, unverwechselbare Art, er war nicht wie andere.
    »Soll ich schauen, ob Eis da ist?« fragte er, als er ein Fläschchen Dewar's aufschraubte.
    »Ohne ist in Ordnung.«
    »Du trinkst wie ein Mann.« Er reichte mir ein Glas.
    Ich sah zu, wie er seinen dunklen Wollmantel und sein maßgeschneidertes Jackett auszog. Sein gestärktes weißes Hemd war nach dem langen Arbeitstag zerknittert. Er legte Holster und Pistole ab.
    »Es ist ein komisches Gefühl, keine Waffe zu tragen«, sagte ich, denn ich trug oft meine 38er und bei nervenaufreibenderen Gelegenheiten die Browning High Power. Aber die New Yorker Waffengesetze gestatteten es auswärtigen Polizisten oder Leuten wie mir nur selten, in ihrer Stadt Waffen zu tragen.
    Wesley setzte sich auf das andere Bett, und wir nippten an unseren Drinks und sahen einander an.
    »Wir haben uns die letzten Monate nicht oft gesehen«, sagte ich.
    Er nickte.
    »Ich denke, wir sollten versuchen, darüber zu reden«, fuhr ich fort.
    »Okay.« Er wich meinem Blick nicht aus. »Fang an.« »Verstehe. Ich soll anfangen.«
    »Ich kann auch anfangen, aber möglicherweise wird dir nicht gefallen, was ich sage.«
    »Ich möchte hören, was immer du zu sagen hast.«
    »Es ist Weihnachten, und ich bin hier in deinem Hotelzimmer. Connie ist zu Hause und schläft und ist unglücklich, weil ich nicht da bin. Die Kinder sind unglücklich, weil ich nicht da bin.«
    »Ich sollte in Miami sein. Meine Mutter ist schwer krank«, sagte ich.
    Er starrte schweigend ins Leere, und ich liebte die scharfen Winkel und Schatten in seinem Gesicht.
    »Lucy ist dort, und wie immer bin ich nicht da. Weißt du, wie viele Feiertage ich nicht mit meiner Familie verbracht habe?«
    »Ja, ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung davon«, sagte er.
    »Ich glaube, es gibt kaum Feiertage, an denen mich nicht irgendwelche schrecklichen Fälle beschäftigt haben. Insofern ist es schon fast gleichgültig, ob ich bei meiner Familie oder allein bin.«
    »Du mußt lernen abzuschalten, Kay.«
    »Das habe ich so gut gelernt, wie es nur möglich ist.«
    »Du mußt diese Gedanken vor der Tür ablegen wie irgendwelche blutverschmierten Kleidungsstücke.«
    Genau das konnte ich nicht. Es

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