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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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solange die Damen in der Küche saßen. Seine Tante ahnte wohl ohnehin längst, dass er Dorothea liebte.
    Ihm war jetzt erst, als er sie zu verlieren drohte, klargeworden, wie tief er für sie empfand, dass sie die große Liebe seines Lebens war. Er wollte sie zurückhalten, verhindern, dass sie nach Zürich ging. Gleichzeitig wusste er, dass es ihm nicht gelingen würde, sie von ihrem Plan, Medizin zu studieren, abzubringen.
    Voller Verzweiflung wälzte er sich in seinem Bett, kam auf die verrücktesten Ideen, beschloss, ihr am nächsten Morgen beim Frühstück einen Heiratsantrag zu machen, befürchtete jedoch, dass sie ihn auslachen würde. Dorothea wollte keinen Ehemann, sondern Ärztin werden. Vielleicht sollte er mit ihr nach Zürich gehen und dort eine Detektei eröffnen? Er verwarf diesen Gedanken wieder. Sein Stolz verbat es ihm, von dem Geld einer Frau zu leben, und etwas anderes würde ihm in Zürich nicht übrig bleiben. Die Schweiz war ein teures Pflaster, er würde sich dort keine anständige Wohnung für Dorothea und sich leisten oder gar für ihren gemeinsamen Lebensunterhalt sorgen können.
    Man kann nicht allein von der Liebe leben, sagte er sich. Ich muss sie gehen lassen. Doch sie wird nicht ewig auf mich warten. Nicht lange und sie wird in der Schweiz einen interessanten Mann kennenlernen, einen Mediziner, sich verlieben und heiraten und süße sommersprossige Kinderchen von ihm bekommen …

Epilog
    21. März 1899. Frühlingsbeginn.
    Gustav saß im Ohrensessel seines Großvaters beim offenen Fenster und starrte auf die Innere Stadt. Die untergehende Sonne tauchte das Monument der Kaiserin Maria Theresia in ein gespenstisches Licht. Der Frühling zeigte sich von seiner besten Seite. Unter dem Dach der Hofstallungen nisteten Schwalben. Fröhliches Vogelgezwitscher erklang aus den Büschen vor seinem Fenster und ein warmer Südostwind brachte die frischen grünen Blätter auf den Bäumen zum Rascheln.
    Dorothea war seit einem Monat in Zürich und ließ kaum von sich hören, hatte ihm bisher nur einen kurzen Brief geschrieben, den er sogleich ausführlich beantwortet hatte. Seither wartete er schon gezählte sieben Tage auf ihre Antwort. Vera saß Tag und Nacht an ihrer Schreibmaschine und kümmerte sich ebenfalls nicht um ihn.
    Auf seinen Knien lag aufgeschlagen die Neue Freie Presse, die er sich, seit er das Abonnement gekündigt hatte, fast regelmäßig kaufte. Bei dem schwachen Licht hatte er Mühe, die Worte zu entziffern. Er zündete eine zweite Petroleumlampe an.
    Es ist an der Zeit, sich um die Elektrifizierung der Wohnung zu kümmern, dachte er und verfluchte seine sparsame Tante, die ihm beständig vorrechnete, wie teuer das Leben war und dass sie sich all diese neumodischen Extravaganzen, vor allem nachdem Dorothea nicht mehr bei ihnen wohnte, nicht leisten könnten.
    „Erzherzog Karl Konstantin von Österreich wird sich, sobald der Nordatlantik wieder befahrbar ist, auf dem Kreuzer ‚Kaiserin Elisabeth‘ einschiffen. Die Reise wird ihn ins Franz-Josef-Land führen. Diese österreich­ische Kolonie liegt am Nordpol in der Höhe von Nordgrönland und nördlich der russischen Insel Nowaja Semlja. Nichts als Schnee und Eis …“
    Was für ein schöner weißer Tod, mein Freund, dachte Gustav und schenkte sich einen Cognac ein. Dann spuckte er aus, verfehlte den Spucknapf seines Großvaters, der knapp neben seinem Sessel stand. Sein Speichel landete auf dem Doppeladler, der die rechte Seite des silbernen Kübels zierte.

Edith Kneifl

    © Foto: Rainer Wölzl

Impressum
    © 2013
    HAYMO N verlag
    Innsbruck-Wien
    www.haymonverlag.at
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    Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
    ISBN 978-3-7099-7330-1
    Umschlag- und Buchgestaltung, Satz: hœretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol
    Umschlagfoto: © David L. Ryan/Lonely Planet Images/GettyImages
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