Die Tote von Schoenbrunn
seiner Tante, den Grafen von ihrem Vorhaben zu überzeugen, den Erzherzog zu entführen.
Nach langer Diskussion gab der Graf seinen Segen zu dem gewagten Unternehmen. Obwohl er um den Skandal wusste, den es geben würde, und er um Marie Luises Nerven fürchtete, wollte auch er weitere Morde verhindern.
Edi hatte sowieso keine Wahl.
„Ich riskiere Kopf und Kragen“, protestierte er, als Gustav ihm den Plan erklärte. Vera ließ keine Widerrede gelten, da das ganze Unternehmen ohne ihn nicht funktionieren würde.
39
Novembernebel. Die Kaiserstadt versank unter einer grauen Glocke. Graf Batheny passte Karl Konstantin auf seinem morgendlichen Ausritt in Lainz ab. Er gab sich den Anschein, nichts von Gustavs Verdacht zu ahnen. Nach anfänglichem Misstrauen willigte der Erzherzog ein, ihm bei einem Schnäpschen und einem Kaffee im Forsthaus Gesellschaft zu leisten. Sie übergaben ihre Pferde einem Knecht und betraten gemeinsam das alte Holzhaus. Im Kamin brannte Feuer. Sie nahmen an einem Tisch direkt davor Platz.
Der Pächter, hocherfreut über die vornehmen Gäste, überbot sich an Höflichkeit und scharwenzelte um sie herum. Sie waren die einzigen Gäste zu dieser frühen Stunde.
„Lass uns allein“, sagte der Graf, nachdem er ihnen Kaffee und Schnäpse gebracht hatte.
Hinter dem Forsthaus spazierte ein Mann in einem schwarzen langen Mantel unruhig auf und ab, seine Hände auf dem Rücken verschränkt. Ein Fiaker stand ein paar Meter weiter auf dem Forstweg, verborgen hinter hohen Fichtenstämmen. Ein leises Keuchen und Stampfen drang durch das Gestrüpp. Gustav deutete Edi, der auf dem Kutschbock sitzen geblieben war, die Gäule ruhig zu halten. Doch momentan verhüllten dichte Nebelschwaden das Gespann.
In der Gaststube beklagte sich Graf Batheny, dass sich Karl Konstantin schon lange nicht mehr bei ihnen anschauen hatte lassen.
„Ich habe viel zu tun, bereite seit Tagen meine Reise vor. Eigentlich hätte ich schon zu Allerheiligen auf unser Gut in Transsylvanien fahren sollen, aber meine Abreise hat sich etwas verzögert.
„Fährst du zu deiner Frau Mama?“
„Ja, ich hole sie ab. Die lange Fahrt bedeutet eine große Anstrengung für sie. Wie du weißt, verbringt sie die Wintermonate lieber in Wien.“
„Ich hoffe, du wirst Marie Luise noch auf Wiedersehen sagen.“
„Selbstverständlich. Ich hatte ohnehin vor, euch heute oder morgen zu besuchen. Wie geht es ihr?“
„Gut, gut. Sie zeigt endlich auch ein wenig Interesse an der Renovierung meines Stadtpalais. Spätestens zu Weihnachten möchten wir alles fertig haben.“
Graf Batheny drohte der Gesprächsstoff auszugehen. Ihm wollte partout kein unverfängliches Thema einfallen. Und da der Erzherzog ausnahmsweise auch nicht sehr gesprächig war, schwiegen sie eine Weile. Es war ein unangenehmes Schweigen.
Plötzlich erhob sich Karl Konstantin, trank seinen Schnaps ex und ging zur Tür.
Erschrocken stand auch der Graf auf.
„Willst du schon gehen?“
„Ich muss mal austreten.“
Kaum hatte sich die Eingangstür hinter dem Erzherzog geschlossen, stürzte der Graf zum Fenster, riss es auf und stieß, wie ein ordinärer Straßenjunge, einen lauten Pfiff aus.
Buchstäblich in letzter Sekunde versteckte sich Gustav hinter einem Holzstapel und hielt den Atem an. Ausgerechnet diesen Holzstapel suchte sich jedoch der Erzherzog aus, um sich zu erleichtern. Als Gustav den Strahl auf das Holz prasseln hörte, zuckte er zusammen. Er bildete sich ein, dass sich ein paar Tröpfchen durch die Holzscheiter verirrten und auf seinem Zylinder landeten. Zum Glück hatte er nichts im Magen, aber es würgte ihn, und er befürchtete, sich jeden Moment übergeben zu müssen.
Graf Batheny hatte mittlerweile seinen Schnaps weggeleert und eine zweite Runde Slibowitz bestellt. Die eine Hälfte des Betäubungsmittels gab er in Karl Konstantins Kaffee, die andere sicherheitshalber in den Slibowitz.
„Ich denke, wir sollten bald aufbrechen. Hab zu Mittag eine wichtige Verabredung“, sagte der Erzherzog, als er zurückkehrte und die vollen Schnapsgläser erblickte.
„Noch einen zum Abschied. Prost! Wünsche dir eine gute Reise, Stanzi, falls wir uns doch nicht mehr sehen sollten“, erwiderte der Graf.
Dem Erzherzog blieb nichts anderes übrig, als sein Glas ebenfalls zu leeren.
„Deinen Kaffee magst nicht mehr? Ich finde ihn ausgezeichnet. Trink in Ruhe aus und dann reiten wir zurück in die Stadt. Ich hab schon bezahlt, während du draußen warst.“
Der
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