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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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alles um ihn drehte. Seine schwarzen Höhlungen schienen boshaft diese ganze Bewegung zu verspotten.
    Unaufhörlich drehte sich das Rad. Millionen von Menschen, die seine ständige Bewegung mitmachen mußten, schrien und gestikulierten, begeistert über die Geschwindigkeit. Kaum sah Jaime sie zum höchsten Punkt emporsteigen, als sie auch schon mit dem Kopf voran abwärtssausten. Sie aber bildeten sich ein, vorwärtszukommen, und glaubten, bei jeder Drehung stets Neues zu sehen und zu bewundern. Weil sie die Unbeweglichkeit des Zentrums, um das sie sich drehten, vergaßen, befanden sie sich im guten Glauben, daß ihre Bewegung sie ständig weiter vorwärts führte. Wie wir eilen! Wo werden wir wohl haltmachen?
    Febrer belächelte mitleidig die Einfalt, mit der sie sich blähten, voller Stolz auf die Geschwindigkeit ihres Fortschrittes, während sie immer wieder zu denselben Punkten zurückkehrten, voller Hochmut über die Eile einer Aufwärtsbewegung, der unfehlbar jedesmal die Drehung abwärts folgte.
    Eine unwiderstehliche Macht stieß Jaime vorwärts. Der ungeheure Totenschädel grinste spöttisch:
    »Auch du! Warum willst du dich gegen dein Schicksal sträuben?«
    Und schon befand er sich auch auf dem Rade, mit dieser ganzen gläubigen Menschheit vermischt, aber ohne den Trost ihrer Illusion zu haben. Seine Reisebegleiterschmähten ihn, weil er die Vorwärtsbewegung leugnete, und hielten ihn für wahnsinnig, als er das, was für alle sichtbar war, in Zweifel stellte.
    Plötzlich zerbarst das Rad. Der schwarze Raum füllte sich mit den zuckenden Flammen der Explosion und den Verzweiflungsschreien der vielen Millionen Wesen, die erbarmungslos in das unergründliche Geheimnis der Ewigkeit gestürzt wurden. Jaime fiel und fiel, Jahre, Jahrhunderte, bis sein Rücken die weichen Kissen seines Lagers fühlte. Er öffnete die Augen.
    Margalida stand neben dem Bett und sah ihn mit angstverzerrtem Gesicht an. Das arme Mädchen ergriff mit zitternder Hand seinen Arm und sagte:
    »Don Jaime! Um Gottes willen, Don Jaime! Sie haben wie ein Wahnsinniger geschrien und wollten sich aus dem Bett stürzen. Dabei sprachen Sie immer von einem Rad und einem Totenkopf. Was bedeutet das alles, Don Jaime?«
    Und wie eine Mutter ihr Kind, hüllte sie ihn sorgsam in seine Decken. Bevor Febrer wieder das Bewußtsein verlor und von neuem die glühenden Türen des Deliriums durchschritt, sah er noch die feuchten Augen Margalidas über sich gebeugt und fühlte, wie ihre Lippen zart und weich seinen Mund berührten.
    »Schlafen Sie, Don Jaime. Sie müssen schlafen.«
    In ihren Worten lag ein Ton zärtlicher Vertrautheit, als ob Jaime jetzt ein anderer für sie wäre und das Unglück sie einander näher gebracht hätte.
    Das Fieber stieß den Kranken in phantastische Welten zurück, wo jede Wirklichkeit aufhörte. Er sah sich in seinem Turm, der aber nicht mehr aus Stein, sondern aus Schädeln erbaut war. Der Hügel, dieFelsen der Küste und die weißen Schaumkronen der unter der Meeresoberfläche liegenden Klippen bestanden aus Knochen. So weit sein Blick reichte, gewahrte er Bäume und Berge, Schiffe und ferne Inseln, verknöchert, blendendweiß wie eine Polarlandschaft. Beflügelte Schädel, den Cherubs auf den religiösen Gemälden ähnlich, schwebten im Raum und stießen mit heruntergefallener Kinnlade rauhe Hymnen aus zu Ehren der großen Gottheit, deren Knochenkopf in den Wolken verschwand. Jahne fühlte, wie unsichtbare Nägel sein Fleisch stückweise abrissen. Als er dann als weißes Skelett dastand, raunte eine Stimme von fern eine grauenhafte Weise in seine verschwundenen Ohren:
    »Der Augenblick der wahren Größe ist gekommen. Du hörst auf, Mensch zu sein, um dich in einen Toten zu verwandeln. Der Sklave ist in das große Geheimnis eingedrungen und zum Halbgott geworden.«
    Die Toten befehlen. Welchen abergläubischen Respekt, mit knechtischer Angst verbunden, empfanden die Menschen vor denen, die das Leben verließen! Der Mächtige entblößte sein Haupt, wenn der Leichenzug des Bettlers an ihm vorbeikam.
    Für Jaimes leere Augenhöhlen gab es weder Entfernung noch Hindernisse. Überall erblickte er Tote. In den Gerichtshöfen sah er hinter den schwarzgekleideten Richtern, die mit achtunggebietender Miene das Elend, die Klagen und die Torheiten ihrer Mitmenschen anhörten, in Togen gehüllte Skelette stehen, die die Hände der Richter führten und ihnen die Urteilssprüche diktierten. Die Toten richten.
    Er sah große Säle mit im

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