Live!
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D ie Katze sitzt mir gegenüber auf der Parkbank. Jeden Nachmittag finde ich sie hier vor – auf der breiten Rückenlehne hockend. Die ersten Tage blickte sie mich mißtrauisch an, jederzeit bereit, die Flucht zu ergreifen, falls ich mich ihr nähern sollte. Als sie schließlich sicher war, daß ich mich nicht für sie interessierte, behandelte sie mich wie Luft und fühlte sich nicht länger genötigt, ihre Pose meinetwegen zu verändern. So hat sich eine gutnachbarliche Beziehung zwischen uns entwickelt. Sie besetzt nie meine Parkbank, und die wenigen Male, die ich vor ihr eintreffe, lasse ich ihr angestammtes Plätzchen frei. Sie ist eine Herumtreiberin, doch ihr Fell ist nicht rötlich wie das der meisten streunenden Katzen. Es ist schwarzgrau gemustert, ganz so wie die Anzüge, die wir am Polizeiball oder bei Begräbnissen tragen.
Adriani sitzt an meiner Seite und strickt. Seit jenem schicksalhaften Abend, als ich die glorreiche Idee hatte, mich in die Bresche zu werfen, um Elena Kousta vor der Kugel ihres Stiefsohnes zu retten, hat sich mein Leben von Grund auf verändert. Zunächst verbrachte ich acht Stunden im Operationssaal, anschließend anderthalb Monate im Krankenhaus und nun liegen noch zwei Drittel meines dreimonatigen Genesungsurlaubs vor mir. Meine Beziehungen zur Mordkommission sind bis auf weiteres unterbrochen. Ich bin auch kein einziges Mal dort gewesen, seit ich entlassen wurde. Meine beiden Assistenten, Vlassopoulos und Dermitsakis, kamen anfänglich jeden zweiten Tag vorbei, dann stellten sie die Besuche ein und beschränkten sich auf Telefonanrufe, bis sie schließlich jeden Kontakt abbrachen. Gikas war nur ein einziges Mal ins Krankenhaus gekommen, zusammen mit dem Ministerialdirektor, der mich partout nicht leiden kann. Doch an diesem Tag war er voll des freundlichen Lobs für meine mutige Tat. Schließlich hat dann Adriani den Oberbefehl über mein Dasein übernommen, und ich beschränke mich darauf, mich von zu Hause in den Park und vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer zu schleppen. Ich fühle mich wie ein Palästinenser, über den die Israelis eine Ausgangssperre verhängt haben.
»Was gibt’s denn heute zu essen?«
Nicht, daß mich das sonderlich kümmert. Mein Appetit hat sich noch nicht wieder eingestellt, und jeder Bissen bleibt mir im Hals stecken. Aber ich spreche das Thema an, weil es mich aus meiner Lethargie reißt.
»Ich habe dir ein Hühnchen gekocht und dir daraus ein Süppchen mit Teigsternchen zubereitet.«
Seit ich wieder zu Hause bin, spricht sie nur mehr in der Verniedlichungsform, als trüge auch das zu meiner Genesung bei.
»Schon wieder Huhn? Ich habe doch erst vorgestern Huhn gegessen.«
»Es tut dir aber gut.«
»Was soll mir denn daran guttun, Mensch, Adriani? Ich hatte einen Lungendurchschuß, kein Magengeschwür.«
»Das stärkt, überlaß das ruhig mir«, erklärt Adriani abschließend, ohne auch nur den Blick von ihrem Strickzeug zu heben.
Ich stöhne auf und erinnere mich sehnsüchtig an die Tage in der Intensivstation, als meine Angehörigen mir nur einmal am Morgen und einmal am Abend die Aufwartung machen durften und mich zwischendurch in Ruhe ließen. Während der neun Tage, die ich dort verbrachte, abgeschirmt von einer weißen Trennwand und zwei weißen Vorhängen, durchlebte ich zweimal pro Tag dieselbe Zeremonie: Zunächst trat Adriani ein.
Dann fragte sie mit einem Lächeln, so schwach wie eine flackernde Kerze kurz vor dem Erlöschen: »Wie geht es dir heute, mein lieber Kostas?«
Diesem immensen Leidensdruck begegnete ich, indem ich so tat, als fühlte ich mich blendend. »Prima, ich weiß gar nicht, weshalb ich hier rumliege, mir fehlt nichts«, antwortete ich, obwohl ich mich in der Intensivstation gut aufgehoben fühlte.
Ein reserviertes, trauriges Lächeln und ein unmerkliches Kopfschütteln bestätigten mir: Deinem Schicksal kannst du nicht entrinnen. Dann setzte sie sich auf den einzigen Besucherstuhl, ergriff meine Hand, und ihr Blick saugte sich an mir fest. Immer wenn sie nach einer halben Stunde ging, ließ sie mich aufgrund der langen Bewegungslosigkeit mit einer eingeschlafenen Hand und der Gewißheit zurück, daß ich innerhalb der nächsten zwölf Stunden abtreten würde.
Wenn Adriani mich dazu brachte, meinen Zustand als prima zu bezeichnen, so trieb mich Katerina, meine Tochter, zum anderen Extrem. Sie trat stets beschwingt und mit einem breiten Lächeln ein. »Bravo, du bist ein Kraftprotz«, sagte sie. »Du siehst von
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