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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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durch die Straßen, die Temperatur mußte deutlich unter dem Gefrierpunkt liegen. Laurenti hatte den Kragen soweit es ging hochgeschlagen und die Hände tief in den Jackentaschen vergraben. Hätte er bloß Schal und Handschuhe mitgenommen! Vor zwei Tagen waren die Leute mittags noch in den Straßencafés gesessen, und jetzt sowas! Laura hätte ihn mit Sicherheit nicht so leicht bekleidet aus dem Haus gehen lassen. Wo mochte Laura jetzt sein? Die Fahrt nach San Daniele war sicher kein Vergnügen, aber sie hatte es so gewollt. Ob er sie anrufen sollte? Besser nicht. Sollte sie schmoren! Mit einem Versicherungsvertreter! Das konnte doch alles nicht wahr sein!
    Kurz vor dem Kommissariat in der Via del Coroneo sah er eine Gestalt durch den Schneefall auf sich zu kommen und erkannte erst, als sie nur noch wenige Schritte trennten, daß es Antonio Sgubin war, der Beamte, mit dem er seit Jahren eng zusammenarbeitete. Seit dem letzten großen Fall, bei dem der Mädchenhändler Kopfersberg von seinem eigenen Sohn ermordet wurde, waren sie per Du. Laurenti hatte es ihm damals in einem Moment angeboten, in dem er im Kreuzfeuer der Kritik stand. Aber er mußte es nicht bereuen. Sgubin blieb unverändert korrekt und zuverlässig.
    »Was machst denn du hier?« fragte er.
    »Letzte Nacht gabs ’ne Messerstecherei mit einem Toten. Ich wollte den Bericht schreiben und noch ein paar Zeugen vernehmen.«
    »Komm, laß uns reingehen. Wo war das?«
    »In einer Bar auf dem Viale XX Settembre. ›Bellavia‹.«
    Sie hatten sich den Schnee abgeklopft, die Jacken aufgeknöpft und gingen die Treppe zur dritten Etage hoch. Laurentis Schuhe und Strümpfe waren durchnäßt und er beneidete Sgubin in seiner winterfesten Kleidung.
    »Da, wo die jungen Rechten saufen und der Transsexuelle bedient?« fragte er. Wieder solch eine absurde Geschichte, die Laurenti sich in keiner anderen Stadt als Triest vorstellen konnte. Er kannte die Bar nur aus den Erzählungen seiner Kollegen. Zwanzigjährige Rechtsradikale, teils mit kahlgeschorenen Köpfen, teils mit fettigem Haar und Springerstiefeln, gröhlten dort am Tresen Lieder auf den Duce und den Abessinien-Feldzug und bestellten eimerweise Bier bei Flavio/Angiolina, einem etwa fünfundvierzigjährigen Transsexuellen. Wenn sie über einen Funken Verstand verfügten, dann müßten sie doch bemerken, daß eine solche Existenz nicht in ihr Weltbild paßte. Sie nannten ihn weiter Flavio, obgleich der Busen längst drall und ansehnlich aus der Bluse quoll. Jeder wußte, daß für Flavio/Angiolina die Hauptoperation noch ausstand. Sie machte keinen Hehl daraus und zeigte dem besoffenen Publikum zu vorgerückter Stunde gelegentlich ihren schönen Arsch im Tangaslip.
    »Ja, genau da!« bestätigte Sgubin. »Wir sind auch schon fast Stammgäste geworden. Immer das gleiche: Zuerst saufen sie wie die Stiere, und dann schlagen sie sich grundlos die Köpfe ein. Aber gestern hat es einen der Anführer erwischt. Einer, den er den ganzen Abend drangsaliert hatte, rammte ihm, als er es nicht mehr länger ertragen konnte, ein Messer in die Kehle. Der Laden schwamm im Blut, das ihm wie eine Fontäne aus dem Hals geschossen war. Er war ziemlich schnell hinüber. Als der Rest der Meute das begriffen hatte, haben sie den Kleinen beinahe gelyncht. Flavio hatte uns aber schon verständigt. Wir konnten ihn gerade noch retten. Der Kleine liegt jetzt auf der Intensivstation, mit einem Wachtposten vor der Tür.«
    Laurenti stand am Fenster seines Büros und schaute auf das Schneetreiben. Die Bora hatte von einer der Platanen vor dem Gebäude einen dicken Ast abgerissen, der jetzt ein Auto dekorierte.
    »Das Gesicht will ich sehen, wenn der seinen Wagen sucht.«
    »Scheißwetter«, sagte Sgubin, der neben ihm stand.
    »Genau wie im Winter 1984/85. Hoffen wir, daß es diesmal nicht so lange dauert.«
    Sgubin schaute ihn überrascht an. »Winter 85?«
    »Damals gefror sogar das Wasser im Hafen. Erinnerst du dich nicht?«
    »Doch, doch. Aber es überrascht mich, daß du so etwas weißt.«
    »Wieso nicht?« fragte Laurenti gereizt, der nur das wiederholte, was er im Zeitungsladen gehört hatte. »Wen willst du eigentlich vernehmen? Gibt es Zweifel in dem Fall?«
    »Nein, nichts. Nur der Vollständigkeit halber, zwei Typen, die dabeistanden und nicht zu den Faschisten gehören. Ich wollte die Sache aus deren Perspektive hören, vielleicht erfährt man so ein bißchen mehr über die ›Bellavia‹.«
    »Mir ist es lieber, wenn sie sich dort

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