Die Toten von Crowcross
war, konnte er hier draußen nicht viel tun. Doch bevor sie sich verabschiedeten, nahm er noch kurz Helen Dawson beiseite und bat sie, Jane Ebdons Adresse, Telefonnummer und so weiter von Maureen Bright zu erfragen und möglichst schnell an den Einsatzraum weiterzugeben. Helen Dawson nickte und steckte ihm unauffällig Kerrs Handy in die Jackentasche.
Auf dem Weg zurück in die Stadt gelang es Jacobson, die Aufnahme auf Kerrs Handy abzuspielen. Das Ergebnis: nichts – beziehungsweise nichts, das etwas am bestehenden Bild geändert hätte. Zu hören waren hauptsächlich Maureen Brights Schluchzer und dazwischen immer wieder die Worte: Er war ein guter Mensch, die Leute begreifen das nicht. Er war ein guter Mensch.
Jacobsons eigenes Handy blieb stumm. Es gab nichts Neues. Er bat Kerr, an der Texaco-Tankstelle kurz vor Crowby zu halten, weil er sich erinnerte, dass es da einen ganz passablen Kaffeeautomaten gab. Die Tankstelle lag nicht weit von dem heruntergekommenen Haus der »patriotischen« Stuart-Brüder entfernt, das immer noch zum Verkauf stand. Jacobson lehnte sich gegen die blaue Haube von Kerrs Auto und trank begierig seinen extragroßen doppelten Espresso. John und Phil Stuart saßen zusammen mit ihrem selbst ernannten »Führer« Rick Cole jeweils zweimal lebenslänglich wegen Mordes aus Rassenhass ab, brauchten also eine ganze Weile weder ihr Haus noch sonst eine private Unterkunft. Zwei bis drei Jahrzehnte lang. Nach der Bibel waren ihre Sünden mit dem Tod zu bezahlen, doch bevor Gott sein Urteil fällte, hatten zunächst die Gerichte eine Rechnung aufgemacht. Die Stuarts waren jung hinter Gittern gelandet und würden erst freikommen, wenn sie alt waren. Und im Unterschied zu Grove waren sie so schuldig, wie man nur schuldig sein konnte.
»Der arme Martin Grove, was, Ian?«, sagte er.
Kerr nickte ihm über die Haube hinweg zu.
»Das würde ich auch sagen. Er war neunzehn oder so, als sie ihn für den Mord an Claire Oldham eingesperrt haben, und die nächsten neunzehn Jahre hat er gesessen, richtig?«
»Bis er endgültig freigesprochen wurde, sind zwanzig Jahre vergangen.«
Kerr nippte an seinem Kaffee und legte die Stirn in Falten ế
»Was für ein Leben …«
»Und dann so ein Tod.«
Als er den letzten Schluck Kaffee getrunken hatte, warf Jacobson den Becher in den Müll und stieg wieder ein. Vor Kurzem erst hatte Kerr den alten Peugeot verkauft und zu Honda gewechselt, wie viele andere in den Midlands, seit die Franzosen ihr örtliches Werk geschlossen und die Leute in die Arbeitslosigkeit entlassen hatten.
Jacobson rief Emma Smith im Einsatzraum an. Sobald im Präsidium alles rund laufe, erklärte er ihr, solle sie Jane Ebdon befragen, ob sie Maureen Brights Geschichte über die vergangene Nacht bestätigen könne. DC Smith klang erleichtert. Brian Phelps, Leiter des Einsatzraums, musste jeden Moment eintreffen. Er arbeitete sehr effizient und kannte sich mit allen gängigen Abläufen bestens aus. Allerdings hatte er eine etwas übereifrige Art, die den Kollegen leicht auf die Nerven ging. Phelps hatte nur mit seinen Computern, Kopierern und Büroklammern zu tun, während sich die DCs vor Ort mit der oft chaotischen Wirklichkeit herumschlagen mussten, ohne vorhersehen zu können, was als Nächstes passierte.
Die Kaffeepause und den Stau an der Baustelle eingerechnet, brauchte Kerr vierzig Minuten bis zum Parkplatz vor dem Präsidium.
»Was jetzt?«, fragte er und stellte den Motor ab.
In die nächsten Maßnahmen waren sie nicht direkt involviert. Jim Websters Leute würden Groves Haus und Grundstück unter die Lupe nehmen, die uniformierten Kollegen die Suche nach der Tatwaffe auf die nähere Umgebung seines Besitzes ausdehnen und die Verkehrspolizisten unter den frühmorgendlichen Fahrern herumfragen, ob jemand etwas Ungewöhnliches gesehen hatte. Hume und Williams organisierten die Anwohnerbefragung in Crowcross und würden alles möglicherweise relevante Videoüberwachungsmaterial an den Einsatzraum weiterleiten.
»Wenn wir Glück haben, ist Grove nur mit einem seiner Nachbarn aneinandergeraten«, sagte Jacobson. »Vergessen wir nicht, dass da draußen auf dem Land reichlich Waffen in den Schränken liegen . Vielleicht ergibt sich ja bei den Befragungen etwas.«
»Und wenn nicht?«
»Dann wird es komplizierter, aber auch interessanter. Zwei Dinge: Zum einen sollten Sie mit den Gefängnisleuten sprechen«, sagte Jacobson. »Wir müssen über alle Gefängnisse Bescheid wissen, in
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