Die Totengräberin - Roman
Kleinigkeiten, die immer auf ihrem Frühstückstisch standen, zusammen und schleppte das überladene Tablett zurück in die Küche. Die Zeit wurde langsam knapp, denn sie musste das Betäubungsmittel auf alle Fälle in die Milch träufeln, bevor Johannes in der Küche auftauchte.
Auf dem großen Holztisch der Terrassentür gegenüber deckte sie den Tisch erneut und benötigte dazu nur wenige Sekunden.
Dann öffnete sie die Tür zu einer kleinen Diele, von der aus eine Treppe hinauf in den ersten Stock und zum Schlafzimmer führte.
»Johannes«, rief sie, »Frühstück ist fertig! Kommst du?«
»Gleich«, antwortete er. »Fünf Minuten noch.«
Fünf Minuten konnten bei Johannes auch zehn Minuten bedeuten. Was machte er nur so lange? Sie wollte die Anspannung jetzt loswerden, wollte es endlich hinter sich bringen.
Unschlüssig lehnte sie an der Terrassentür und betrachtete ihren Kochbereich, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Sie liebte diese Küche, obwohl sie alles andere als praktisch war. Sie mochte sie viel mehr als ihre elegante, moderne und zweckmäßige Küche in Berlin, in der einem die Schubladen nach bloßem Antippen entgegenglitten, die Vorräte in Schiebeschränken auf Augenhöhe untergebracht waren und die Ecken unter der Arbeitsplatte durch ein cleveres System mithilfe von Drehschränken perfekt genutzt werden konnten. Die chromglänzenden Armaturen waren leichtgängig und makellos, und die Halogenstrahler waren so angebracht, dass sie die Küche perfekt, aber nicht zu grell ausleuchteten.
Und hier war die Arbeitsplatte aus schwerem, dunklem Kastanienholz und faulte dort, wo sie die nassen Töpfe abstellte. Alte raue Mattoni an der Wand wurden von Jahr zu Jahr dunkler. Die gemauerte Abzugshaube, eingefasst mit alten, wurmstichigen Balken, gab dem Raum eine heimelige, gemütliche Atmosphäre, über dem Herd hingen schmiedeeiserne Pfannen. Man glaubte, sich in einer wirklich alten, typisch toskanischen Küche zu befinden, und mit einem warmen Licht über dem Tisch und ein paar Kerzen im Fenster fühlte man sich sofort zu Hause.
Magda spürte in diesem Moment, dass sie sich bisher noch nirgends so wohlgefühlt hatte wie in dieser Küche.
Neben dem Herd lag noch das Messer, mit dem sie die Salami abgepellt hatte. Sie öffnete die Spülmaschine, um es in den Besteckkasten zu stecken, und merkte erst in diesem Moment, dass in der Maschine noch sauberes Geschirr war. Sie begann sie auszuräumen, lief mindestens zehnmal von der Maschine zum großen Küchenschrank, in dem sie Teller, Schüsseln und Kaffeebecher stapelte und die Bestecke in einer Schublade einsortierte.
Als sie damit fertig war, sah sie auf die Uhr. Sechs Minuten waren vergangen. Gleich würde Johannes da sein.
Sie zog das Fläschchen aus der Hosentasche, schraubte es auf und ließ zwanzig Tropfen in die Milch fallen.
Jetzt gab es keinen Weg mehr zurück.
4
Johannes war sich ganz sicher, die kleine Schachtel mit den Ohrringen in die Seitentasche des Koffers gesteckt zu haben, und jetzt war sie wie vom Erdboden verschwunden.
Was Geschenke betraf, hatte er noch nie viel Fantasie entwickelt, er schenkte Magda entweder Blumen oder Schmuck, je nachdem, ob der Anlass größer oder kleiner war. Am Samstag war er in Friedenau in einer unscheinbaren Seitenstraße an einem Juweliergeschäft vorbeigekommen und eigentlich nur stehen geblieben, weil es ihn wunderte, dass man in dieser abgelegenen kleinen Straße überhaupt etwas verkaufen konnte. Aber das Schaufenster war äußerst geschmackvoll dekoriert, und ein paar Ohrringe fielen ihm sofort ins Auge. Weißgoldene Kreolen mit einem winzigen Brillanten. Sie strahlten eine herbe, kühle Schönheit aus, die ihn faszinierte.
Nie wäre er auf die Idee gekommen, Carolina Schmuck zu schenken - ihr Geschmack war einfach zu ausgefallen. Aber bei Magda war das anders. Er hatte oft den Eindruck, ihr gefiel, was ihm gefiel. Sie war so leicht zu beeinflussen und freute sich wie ein Kind, wenn er etwas schön fand. Bei Magda lag man immer richtig, sie war so wunderbar unkompliziert.
Kurzerhand hatte er die Ohrringe gekauft. Er meinte es wirklich ernst mit Neuanfang und Versöhnung. Vielleicht ließ sich sein guter Wille durch dieses Geschenk ja noch unterstreichen.
In den letzten Tagen war im Geschäft die Hölle los gewesen. Anscheinend hatten sich alle Umzugswilligen in diesem Land verabredet, ihren Plan in dieser Woche in die Tat umzusetzen. Magda war bereits nach Italien gefahren,
Weitere Kostenlose Bücher