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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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reichte, um all das zu erledigen, was er sich vorgenommen hatte.
    Genug Zeit, denn es würde noch mindestens eine halbe Stunde dauern, bis er zum Frühstück herunterkam.

    Sie öffnete die Terrassentür und trat hinaus. Die Luft war klar und trocken, es würde wieder ein heißer Tag werden. Magda streckte sich und atmete tief durch. Es war vollkommen still, die Schotterstraße nach Solata lag verlassen da. Kein Auto fuhr, keine Stimmen waren zu hören. Noch nicht einmal eine Katze schlich durchs hohe Gras oder rekelte sich auf den durch die frühe Morgensonne schon aufgewärmten Steinen.
    Einige Minuten stand sie beinah reglos. Ein leichter Wind wehte durch den Hof, der jetzt noch im Schatten lag. In ihrem dünnen T-Shirt fröstelte sie, aber sie war dennoch ganz ruhig und spürte, dass ihr Herz langsam und gleichmäßig schlug. Keine Spur von Nervosität mehr. Dann war es also richtig. Es gab keinen Zweifel, Überlegungen waren nicht mehr notwendig. Sie hatte sich entschieden.
    Sie ging zurück in die Küche und setzte Teewasser auf. Seit Johannes an permanent erhöhtem Blutdruck litt, hatten sie sich beide angewöhnt, morgens keinen Kaffee mehr zu trinken. Es war ihnen außerordentlich schwergefallen. Jetzt stand die Espressomaschine schon seit zwei Jahren unbenutzt auf einer kleinen Kommode unter dem Fenster, und Magda glaubte nicht, dass sie überhaupt noch funktionierte.
    Johannes hatte Kaffee immer mit sehr viel heißer Milch getrunken, geschäumt oder nicht geschäumt, das war ihm egal. Er trank Milchkaffee in Berlin, Caffè Latte in Italien und Café au Lait in Frankreich. Seit er das alles nicht mehr durfte, fehlte ihm die Kalziumbombe mehr als der Kaffee. Manchmal kam er nachmittags in die Küche, verschwitzt und kaputt von der Gartenarbeit, nahm die Milchtüte aus dem Kühlschrank und stürzte mindestens einen halben Liter in einem Zug hinunter. Außerdem hatte er sich angewöhnt,
zum Frühstück Müsli mit Obst zu essen, das in Milch schwamm.
    Magda bemerkte ihr Gesicht, das sich in der gläsernen Tür des Geschirrschrankes spiegelte, und strich sich mit der linken Hand die viel zu langen Ponyfransen aus der Stirn.
    Alles, was sie dann tat, war morgendliche Routine und geschah schon fast automatisch. Sie ging hinaus und wischte den schweren Holztisch im Hof mit einem Schwammtuch feucht ab. Dann holte sie zwei leuchtend blaue Sets, Besteck, Teller und Tassen, aus dem Kühlschrank die toskanische Salami, ein Stück Pecorino und eine Gurke. Im Gegensatz zu Johannes startete Magda deftig in den Tag. Wenn sie Müsli oder Obst und Quark aß, wurde ihr spätestens nach einer Stunde übel.
    Das Wasser kochte, und sie goss den Tee auf. In diesem Moment schaltete sich der Radiowecker im Schlafzimmer ein. Nur wenn sie ganz still stand, sich nicht bewegte und sehr konzentrierte, konnte sie die Musik sehr leise mehr erahnen als hören. Noch fünf Minuten. Höchstens. Dann würde Johannes aufstehen.
    Sie schnitt das Obst in kleine Würfel. Einen Apfel, eine halbe Banane, eine halbe Orange. Darüber drei Esslöffel Müsli. Die Badezimmertür klappte, und wenig später rauschte die Spülung. Wahrscheinlich noch zehn Minuten, bis er kam. Mit der Milch musste sie noch warten, das Müsli sollte nicht aufweichen.
    Neben dem Haus war eine kleine Wiese, auf der die unterschiedlichsten Blumen wuchsen, die Magda alle nicht kannte. Undefinierbare Wildblumen, wahrscheinlich Unkraut. Johannes mähte die Wiese nur, wenn es gar nicht mehr anders ging und die Gräser schon von allein umknickten. Er liebte sein »geordnetes Gartenchaos«, wie er es
nannte, und holte den Rasenmäher erst aus dem Magazin, wenn er der Meinung war, dass es »asozial« aussah.
    Magda pflückte einige Blumen, dazu gelb blühenden Dill, und stellte den Wiesenblumenstrauß in einer kleinen bauchigen Vase, die sie bei einem Trödler in der Nähe von Arezzo für zwei Euro erstanden hatte, auf den Tisch.
    Jetzt war es Zeit für die Milch. Gleich würde Johannes da sein.
    Das Gift hatte sie in ihrer Hosentasche. Sie wusste, dass die Tropfen vollkommen geschmacksneutral waren. Er würde nichts merken. Jedenfalls nicht in den ersten Minuten.

2
    Als die Musik des Radioweckers einsetzte, brauchte Johannes fünf Sekunden, um sich daran zu erinnern, dass er gerade dabei war, in der Toskana aufzuwachen. Die Morgensonne war wärmer als in Deutschland und das Zimmer enger. Die Deckenmattoni und die schmalen dunkelbraunen Holzbalken strahlten von der Decke einen erdigen

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