Die Totengräberin - Roman
Johannes arbeitete noch eine Woche, gab schließlich letzte Instruktionen, hinterließ seine Handynummer und fuhr am Freitag früh auf dem direkten Weg und mit nur einem kurzen Tankstopp in die Toskana.
Magda hatte nicht auf ihn gewartet und lag schon im Bett. Sie wachte kurz auf, als er ins Schlafzimmer kam.
»Ach, schön, dass du da bist«, sagte sie verschlafen, »gute Nacht, bis morgen früh.«
Damit drehte sie sich auf die Seite und schlief weiter.
Er hätte ihr gern erzählt, dass er Carolina nie mehr wiedersehen würde, aber das musste wohl bis zum Frühstück warten.
Auf der Terrasse schenkte er sich ein Glas Rotwein ein und sah den Mond am sternenklaren Himmel. Noch eine Nacht, dann war Vollmond.
Es war vorbei. Er hatte sich für Magda entschieden und fühlte sich auf einmal ganz leicht und frei.
Johannes fand endlich die Ohrringe in der Seitentasche seines Kulturbeutels. Ihm war gar nicht bewusst, dass er das kleine samtene Täschchen dort hineingeschoben hatte.
Jetzt steckte er es in seine Hosentasche, öffnete das
Schlafzimmerfenster weit, machte noch schnell die Betten und ging hinunter in die Küche.
Alles wird gut, dachte er, alles wird gut.
5
Magda lächelte, als Johannes in die Küche kam und ihr einen Kuss auf die Wange hauchte.
»Hast du gut geschlafen?«, fragte er und setzte sich an den Küchentisch.
»Ja, doch. Einigermaßen. Ich hab ein bisschen schlecht geträumt.«
»Wovon?«
»Das kann ich dir nicht erzählen, sonst gehen die Albträume in Erfüllung.«
Sie stellte ihm die Müslischale auf den Tisch und goss ihm Tee ein. »Lass es dir schmecken.«
Johannes begann das Müsli zu essen. »Ich habe übrigens mit Carolina Schluss gemacht. Die Sache ist beendet, und ich werde sie nie wiedersehen.«
»So«, meinte Magda ungerührt und beobachtete, wie er aß.
»Es tut mir leid, Magda. Ich habe noch nie so deutlich gespürt, wie wichtig du mir bist. Ich liebe dich, Magda. Lass uns vergessen, was gewesen ist. Lass uns noch einmal neu anfangen.«
Er stand auf und umarmte sie.
Sie war seltsam steif. »Setz dich und iss dein Müsli«, sagte sie, »lass uns nachher weiterreden.«
Er setzte sich und aß wieder einige Löffel voll. Magda bestrich sich ein Stück Weißbrot mit Butter und Käse. Als Johannes erneut den Löffel zur Seite legte, wurde sie nervös.
»Was hast du?«, fragte sie. »Ist der Löffel schmutzig? Möchtest du einen anderen?«
»Nein«, meinte er und lächelte. »Ich hab dir eine Kleinigkeit mitgebracht.« Er stand auf und holte aus seiner Hosentasche das kleine Samtsäckchen hervor.
»Für dich. Bitte, Magda, verzeih mir.«
Er gab es ihr, aber Magda reagierte nicht.
»Mach doch mal auf. Ich hoffe, es gefällt dir.«
Magda öffnete das Samtsäckchen.
»Oh, wie schön«, flüsterte sie, »wie wunderschön! Kreolen. Und dann noch mit Brillanten. Meinen Lieblingssteinen.«
Sie küsste ihn, um sich bei ihm zu bedanken. Er zog sie auf seinen Schoß und umarmte sie.
»Ich war so dumm, Magda. Ich habe vergessen, dass wir zusammengehören.«
»Schon gut.« Sie stand auf und setzte sich wieder ihm gegenüber.
»Möchtest du noch etwas Tee?«
Er nickte, und sie schenkte ihm nach.
»Warum essen wir heute eigentlich nicht auf der Terrasse?«, fragte Johannes.
»Mir war kalt heute Morgen, und es ging so ein kühler Wind. Da dachte ich, drinnen ist es vielleicht gemütlicher.«
»Stimmt.« Johannes lächelte ihr zu. »Es wird noch so viele warme Tage geben, da kommt es auf einen mehr oder weniger nicht an.«
Magda stand auf und ging hinaus. »Ich bin gleich wieder da«, sagte sie, »ich muss nur mal auf die Toilette.«
Johannes schaltete das Radio an. »Senza una donna« sang Zucchero. Während er langsam sein Müsli zu Ende aß, klang dieses Lied tief in seiner Seele und machte ihn glücklich. Das Leben ist wundervoll, dachte er, und wir haben fantastische Urlaubswochen vor uns. Magda und ich.
»Ich war übrigens gestern Abend noch kurz bei Massimo und Monica und hab eine Fünf-Liter-Flasche Öl und eine Kiste Wein gekauft. Ist alles noch im Auto«, sagte er, als Magda wieder in die Küche kam.
Magda zuckte zusammen. »Oh, wie schön«, meinte sie.
Dann wussten Massimo und Monica jetzt also, dass Johannes hier war. Und was die beiden wussten, erfuhr das ganze Dorf. Sie war wütend. Musste er das verdammte Öl und den Wein unbedingt gleich am ersten Abend kaufen? Sie hatte eigentlich vorgehabt, im Dorf zu erzählen, dass sie in diesem Sommer allein
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