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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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rötlichen Ton auf das Bettzeug zurück, in der Fensternische hing ein schwarzer Skorpion bewegungslos an der Wand.
    Er war zu Hause. War zurückgekommen und wollte alles hinter sich lassen, was geschehen war, einen Neuanfang wagen. Vier Wochen Urlaub lagen vor ihm, in denen er sich vor allem um Magda kümmern und langsam wieder zu ihr zurückfinden wollte. Zweite Flitterwochen. Daran zweifelte er keine Sekunde.
    Johannes schlug die leichte Bettdecke zurück, schwang die Beine gestreckt in die Höhe und ließ sie dann langsam absinken. Fünf Zentimeter über der Matratze hielt er die Beine gestreckt, bis seine Bauchdecke zitterte. Zwanzigmal. Es fiel ihm leicht, das regelmäßige Krafttraining im Fitnessstudio hatte sich ausgezahlt, er war gut durchtrainiert und sah jünger aus, als er war.
    Carolina hatte sich oft einen Spaß daraus gemacht, auf irgendeinen Muskel seines Körpers zu tippen, den er dann
anspannen musste, damit sie sah, wie er auf- und abtauchte oder kontrolliert zuckte. Es faszinierte sie jedes Mal.
    Carolina. Er musste aufhören, an sie zu denken. Es war vorbei. Er würde sie nie wiedersehen. Basta.
    Johannes stand auf und trat ans offene Fenster. Trotz wolkenlosen Himmels war die Sonne noch milchig hell und diesig. Es würde ein schöner, heißer Tag werden.
    Ein weißer Fiat kroch ungewöhnlich langsam die kurvige Straße nach Solata hinauf. Gianni wahrscheinlich. Er war sechsundsiebzig und arbeitete gelegentlich in den Oliven. Wenn er sich kräftiger fühlte und der Magenkrebs Ruhe gab.
    Ich werde gleich nach dem Frühstück die Wiese mähen, dachte Johannes. Und die Klärgrube eingraben. Er hatte sie im letzten Herbst anschließen lassen, weil die Kommune neue Richtlinien über die erforderliche Größe von Klärgruben erlassen hatte. Für Johannes war das eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Baustoffhändler und Klempner. Da La Roccia ein großes Anwesen war und rein theoretisch zwölf Personen Platz bieten könnte, hatte man ihn aufgefordert, eine größere Klärgrube anzuschaffen. Johannes war wütend und hatte immer wieder versichert, dass sie La Roccia nur zu zweit bewohnten, aber die Kommune blieb stur. Und schließlich hatte sich Johannes gefügt und eine völlig überdimensionierte Klärgrube kommen lassen.
    Johannes wusste, wie sehr Magda es hasste, wenn es irgendwo auf dem Grundstück nach »Baustelle« aussah, und die noch nicht fertig zugeschüttete Klärgrube sah äußerst hässlich aus. Darum würde er sich schnellstens kümmern, dann könnte Magda die Stelle begrünen oder auf die drei Deckel der einzelnen Kammern Terrakottatöpfe mit Geranien oder Hibiskus stellen, Magdas Lieblingspflanzen.

    Und dann musste er unbedingt die Rosen neben der Küche hochbinden. Der gewaltige Busch saß voller Blüten und konnte die Last nicht mehr tragen. Eine Arbeit, die Magda nicht gern tat. Sie zerkratzte sich die Arme und fürchtete sich vor Schlangen, die sich häufig in die Rosen zurückzogen.
    Alles Menschenmögliche würde er für sie tun, sie auf Händen tragen, ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen.
    Und Magda würde ihm verzeihen. Davon war er überzeugt.

3
    Allmählich wurde Magda nervös und sah bereits zum vierten Mal auf die Uhr. Johannes ließ sich heute Morgen ungewöhnlich viel Zeit mit seiner Morgentoilette. Wahrscheinlich rasierte er sich gründlich. Sie musste lächeln und freute sich auf seine makellos glatten und weichen Wangen, wenn sie ihn zum letzten Mal küssen würde.
    Als sie ihren Blick über den Frühstückstisch wandern ließ, um zu überprüfen, ob sie vielleicht doch noch irgendetwas vergessen hatte, durchfuhr es sie plötzlich eiskalt. Sie hatte einen gravierenden Fehler gemacht. Wie jeden Morgen im Sommer, wenn es nicht regnete, hatte sie im Hof gedeckt, aber für ihr Vorhaben war das denkbar ungünstig. Johannes würde dort zusammenbrechen, und sie müsste ihn ins Haus schleifen. Das waren weitere sieben unnötige Meter. Vom Weg hatte man an manchen Stellen Einblick in den Hof. Es kam zwar nur selten vor, dass im Sommer ein Olivenbauer oder im Winter ein Jäger dort entlangfuhr, aber trotzdem. Durch ihre Unüberlegtheit setzte sie sich einem Risiko aus, das leicht zu vermeiden gewesen wäre.
    Sie rannte in die Küche, horchte kurz, hörte ihn aber noch nicht die Treppe herunterkommen, nahm ein Tablett, rannte zurück nach draußen, raffte Sets und Bestecke zusammen, stellte Teller, Tassen, Wurst, Käse, Obst, Milch,
Butter, Salz und all die anderen

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