Die Traene des Drachen
Frau richtete. „Wo ist sie?“, fragte er und hielt dem Mann Eleas Bild vor die Nase. Bevor Albin irgendetwas sagen konnte, war Kaitlyn von Louans Schoß aufgesprungen und riss dem maskierten Mann das Bild aus der Hand. Sie drückte das Bild an ihre Brust, wich aber erstaunlicherweise keinen Schritt vor dem angsteinflößenden Krieger zurück. Mit schluchzender Stimme schrie sie ihn fast an: „Elea ist nicht mehr da. Sie ist schon längst über alle Berge. Ihr werdet sie nie, nie finden.“ Während der Rest der Familie vor Schreck über Kaitlyns Ausbruch die Luft anhielt, konnte sich der schwarze Mann unter seiner Maske ein flüchtiges Lächeln nicht verkneifen. Das kleine Mädchen mit den blonden Zöpfen imponierte ihm. Sie ließ sich nicht wie seine sonstigen Opfer einschüchtern. „So. Einen Schritt sind wir nun weiter gekommen. Jetzt wissen wir, über wen wir reden. Sie heißt also Elea.“ Das Mädchen nickte ihm mit großen Augen zu. Aus der Kleinen werde ich vielleicht mehr heraus bekommen als aus dem Rest der Familie. „Wie heißt du?“, fragte er sie. „Kaitlyn.“ Er packte sie grob am Arm und war gerade im Begriff mit ihr in das Zimmer nebenan zu gehen, als die Frau des Jägers abrupt aufsprang und ihn ungehalten anfauchte. „Was habt Ihr vor, Krieger?“
„ Wenn Ihr erlaubt, werde ich mich in eurem Gemach ein wenig mit Kaitlyn über den Verbleib ihrer Schwester unterhalten“, antwortete Maél in arrogantem Tonfall. „Sie weiß nichts. Wenn Ihr etwas wissen wollt, dann fragt mich!“ Wenn alle Frauen in dieser Familie so mutig sind, dann werde ich auf unserer Heimreise einiges zu erwarten haben. Er hielt inne, ließ aber Kaitlyn immer noch nicht los. „Also gut. Wo ist sie? Wann hat sie das Haus verlassen?“
„ Wir wissen nicht, wo sie ist. Nach dem Abendessen wollte sie gleich schlafen gehen, weil sie müde war. Wir wussten nicht, dass sie vorhatte, wegzulaufen. Sie muss irgendwann heute Nacht aus dem Fenster geklettert sein.“
„ Aha! Und so wie es aussieht“ - Maél deutete auf das Gepäck und die Waffen – „wusstet ihr also, dass wir auf der Suche nach ihr sind. Wer hat euch gewarnt?“ Jetzt meldete sich auch Albin mit vorwurfsvollem Ton zu Wort. „Das war Kellen, mein ältester Sohn, den Ihr grundlos bewusstlos geschlagen habt.“ Jadora hatte, nachdem er die ganze Zeit stumm dem Gespräch beigewohnt hatte, auch etwas zu sagen. „Wo soll sie in so kurzer Zeit schon hin geflohen sein?! Sie ist in den Wald gegangen und hält sich dort versteckt.“ Maél überlegte kurz. Dann schickte er einen Krieger in den Stall, um nachzusehen, ob die junge Frau mit einem Pferd geflohen war. Es dauerte nicht lange, da kam dieser auch schon wieder zurück. Er berichtete, dass es im Stall drei Stände gebe, in denen jeweils ein Pferd stehe. „Ihr Vorsprung kann noch nicht groß sein. Es ist Nacht. Vielleicht hat sie sich im Wald bei der Dunkelheit sogar verlaufen“, gab Jadora zu bedenken. Maél schaute von Jadora zu Albin und Breanna. Beide begegneten ihm mit beunruhigtem und verzweifeltem Blick. „Ich werde mich mal im Zimmer Eurer Tochter umsehen, Jäger, wenn Ihr nichts dagegen habt.“ Er betonte das Wort Tochter dabei auf eine Weise, die allen Anwesenden deutlich machte, dass er starke Zweifel daran hegte, dass Elea mit Albin oder einem anderen Familienmitglied blutsverwandt war. Ohne eine Antwort abzuwarten, stieg er die Treppe hoch. Im oberen Stock befanden sich nur zwei Zimmer, auf jeder Seite der Treppe eins. Beide waren sperrangelweit geöffnet. In dem ersten lagen Jungen- und Männerkleider auf dem Boden zerstreut herum. Außerdem standen in einer Ecke verschieden Bögen und Köcher mit Pfeilen. Dies war ohne Zweifel das Zimmer der Jungen. Er wandte sich dem anderen Zimmer zu. Durch das Fenster schien der Mond, sodass der Raum in weißes Licht getaucht war. Auch ohne den Mondschein hätte Mael mit seinen außergewöhnlichen Augen jedes kleinste Detail im Zimmer erkennen können. Es war mehr als deutlich, dass dies das Mädchenzimmer war: Auf dem zerwühlten Bett lag eine Puppe und auf dem Tisch am Fenster eine ganze Reihe von Puppenkleidern. Er trat ein. Ihm wurde recht schnell klar, dass Elea keine gewöhnliche junge Frau war. Er entdeckte weder einen Spiegel noch Haarbürsten oder Ähnliches. Dafür war an einer Wand eine beachtliche Sammlung von Bögen und Pfeilen aufgereiht - mehr als die jungen Männer in ihrem Zimmer herumstehen hatten. Und als er den Schrank öffnete,
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