Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
ihre Stimme klang.
»Der süße Duft hat mir besser gefallen«, erwiderte er lächelnd. Als er sah, wie verwirrt sie war, fügte er hinzu, »Du hast halluziniert. Sonnenbalsam hat diese Wirkung, wenn man ihn in großen Mengen anwendet. Und jetzt trink.«
Er hob ihren Kopf an und hielt ihr einen Becher an die Lippen. Heraus floss kühles Wasser, wunderbar und quälend zugleich. Neue Empfindungen erwachten in ihrem Körper- Schmerzen und Steifheit aber sie lebte, und ihre Haut fühlte sich nicht mehr an, als wäre sie mit stumpfen Messern abgeschabt worden.
Der Becher wurde zurückgezogen, und sie versuchte, sich nach ihm zu strecken, denn sie hatte immer noch Durst. Ein weiches Stück Frucht wurde ihr an die Lippen gehalten, und der überwältigende Duft raubte ihr fast die Sinne. Sie ließ sich den Leckerbissen in den Mund schieben, der augen blicklich von dem scharfen Geschmack überflutet wurde. Sie schluckte es gierig hinunter und merkte, wie ausgehungert sie war.
»Ganz langsam. Dein Magen verträgt nicht so viel auf einmal.«
Es folgten noch ein paar Scheiben, und sie versuchte, größtenteils unbewusst, sie langsam zu essen.
Viel zu schnell meinte er: »Das reicht«, und sein Tonfall duldete keinen Widerspruch.
»Nimm das.« Er hielt ihr eine kleine, weiße Tablette hin.
»Was ist das? Sonnenbalsam?« Ihre Stimme klang fast normal.
»Salz«, antwortete er und reichte ihr wieder den Becher zum Trinken.
»Was ist Sonnenbalsam?«
»Eine Salbe. Sie besteht zum größten Teil aus Drachenblumensamen, deswegen hattest du auch diese wilden Träume. Ich habe dich überall damit eingerieben.«
Als er die Überraschung in ihrem Gesicht aufblitzen sah, fügte er hinzu: »Wo du zuviel Sonne abgekriegt hast. Es gibt nichts Besseres gegen Sonnenbrand oder Schlimmeres.«
»Und woher kommen die wilden Träume?«
»Kennst du keine Drachenblumensamen?«
Sie schüttelte vorsichtig den Kopf.
»Sie enthalten eine Droge, die, abgesehen von ihrer Heilkraft, auch lebhafte Träume und Halluzinationen hervorruft. Manche Leute nehmen sie nur aus diesem Grund.« Die Verachtung in seiner Stimme war überdeutlich. »Vermutlich, um aus ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit zu fliehen.«
»Aber du nimmst sie doch auch.«
»Ja, wenn ich muss. Bei dir hat sie bereits Wunder gewirkt.«
Sie dachte einen Augenblick darüber nach.
»Stimmt. Ich fühle mich ...« Nach einer kleinen Pause fuhr sie fort: »... wieder wie ein Mensch. So als könnte ich mich wieder bewegen.« Verblüfft demonstrierte sie die Beweglichkeit ihres Körpers. »Weich«, fügte sie verwundert hinzu.
»Genau«, brummte er. »Weich kommt hin. Weich im Kopf. Was führt dich an diesen gottverlassenen Ort?«
»Gott? Wer ist das?«
Er grinste. »Auf die Frage sucht man schon seit Jahrhunderten eine Antwort. Warum fängst du nicht mit etwas Einfacherem an? Zum Beispiel mit >Wie heißt du?«<
2 . KAPITEL
»Also gut, wie heißt du?« fragte sie folgsam.
»Arden. Und du?«
Sie zögerte einen Augenblick, dann erwiderte sie: »Gemma.«
»Ist das dein richtiger Name?«
»Ja.«
»Und warum hast du überlegt, ob du mir einen falschen nennen sollst?« Arden sah sie gespannt an.
»Aus Gewohnheit.«
»Irgendetwas sagt mir, dass du eine Menge zu erzählen hast«, sagte er, »aber jetzt ist nicht der richtige Augenblick. Du brauchst mehr Schlaf. Lieg still.«
Gemma tat, wie ihr geheißen, und genoss das Gefühl seiner Hände, die behutsam und doch fest über ihre Haut strichen und sie weiter mit Sonnenbalsam einrieben. Kurz darauf befand sie sich wieder im Land der Träume.
Als sie das nächstemal erwachte, war es dunkel, doch am Himmel waren keine Sterne zu sehen. Das verwirrte sie, bis sie dahinterkam, dass sie sich im Innern eines Zeltes befand. Wie es dorthin gekommen war, war ihr ein Rätsel. Eine unglaubliche Wohligkeit perlte durch ihren Körper, und sie räkelte sich genüsslich. Dabei stieß sie mit der Hand gegen ein warmes, weiches Etwas, das in eine Decke gehüllt war. Das Etwas brummte, und Gemma zog ihre Hand rasch zurück. Bilder zuckten durch ihr Bewusstsein, doch sie war in der Lage, dies auf die Auswirkung der Drachenblumensamen zurückzuführen. Nichts schien ihr Glück in diesem Augenblick trüben zu können, und im Nu war sie hellwach und wollte sich unterhalten.
»Arden?« flüsterte sie leise, vorsichtig.
»Was ist?« brummte er.
»Bist du wach?«
»Nein.«
»Ich habe Durst.«
Gemma hörte, wie er sich bewegte und anschließend das
Weitere Kostenlose Bücher