Die Trasse von A'hi-nur
kleine Mißverständnis aus der Welt zu schaffen, das noch zwischen uns stand, und ich entschuldigte mich für meine Grobheit und Sturheit in den ersten Tagen.
Inge sagte zunächst nichts darauf und sah beim Gehen geradeaus in die Ferne. Erst nach einer Weile antwortete sie: »Es war mir ganz recht so!« Und, etwas zögernd, setzte sie hinzu: »Weißt du, wenn man nicht gerade häßlich ist –«, sie sagte das ohne die übliche heuchlerische Bescheidenheit, die nur auf ein Kompliment aus ist, »wenn man nicht gerade häßlich ist, dann glaubt jeder Mann… Na ja, also dann ist man froh, wenn mal einer nicht das übliche Zeug redet…«
Es schien, daß sie noch mehr sagen wollte, aber sie kam nicht mehr dazu, denn wir waren schon in unserem Lager, und die Arbeit begann.
Wir gingen in den folgenden Wochen noch zweimal hinauf, aber entdeckten nichts Neues. Da ließ auch unser Interesse wieder nach, aber etwas war uns doch geblieben von diesem Erlebnis: eine schöne, freundschaftliche, kameradschaftliche Vertrautheit.
So kam der Tag der ersten Sprengung heran. Wir hatten uns mit der Zeit so gut an die Arbeit gefunden, daß wir drei Tage vorfristig sprengen konnten. Ein bißchen aufgeregt ist man ja jedes Mal, das gebe ich zu, aber wenn wir gewußt hätten, was uns bevorstand…
Wir erledigten alles, wie es sich gehörte, benachrichtigten 24 Stunden vorher die Regionalverwaltung, setzten die Rauchsignale, gaben auf der internationalen Notwelle die Warnzeichen – dann drehte ich den Zündschlüssel um.
Wir sahen durch die Wagenfenster – das Zelt hatten wir eingezogen –, wie die erste Welle den Sand hochschleuderte. Es sah aus wie ein riesiger Wall, den die Transportsprengungen immer höher hoben und weitertrugen.
Da begann das Funkgerät zu piepen. Inge hatte die Kopfhörer noch auf und schrieb: ECF 2 AN AXP 17 – das waren wir – NICHT SPRENGEN!
Ich war wie erstarrt. ECF – das mußte ein Flugzeug sein – aber Inge funkte schon wieder zurück. »Ich fordere Position!« erklärte sie mir.
Dann war nichts mehr zu verstehen. Die Explosionswelle hatte uns erreicht. Ich sah nur, wie Inge Buchstaben und Zahlen auf das Papier malte, aus denen hervorging, daß sich in 30 km Entfernung ein Flugzeug befand, und ich sah, wie sie auf die Taste hämmerte. Ich las mühsam mit: AXP 17 AN ECF 2 STOP SOFORT LANDEN STOP IN 90 SEK ERREICHT SIE EXPLOSIONSWELLE ENDE.
Inge notierte die Antwort.
Der durch die Sprengung aufgewirbelte Sand hatte den Himmel so verfinstert, daß es dunkel geworden war im Wagen. Ich schaltete die Beleuchtung ein und las: HABE VERSTANDEN STOP LANDE UND MELDE MICH WIEDER ENDE.
Stumm saßen wir und blickten zuerst auf den Sekundenzeiger der Wagenuhr und dann, als die anderthalb Minuten herum waren, auf das Funkgerät. Nichts rührte sich. Inge rief die ECF 2, aber keine Antwort kam. Da gab ich Alarm.
Ich wies die Zwillinge im anderen Wagen ein, Inge setzte einen Funkspruch an die Zentrale ab, und dann starteten wir. Nach wenigen Minuten hatten wir die Sandwolke hinter uns gelassen, und es wurde wieder hell. Ich übergab Inge das Steuer und nahm mir die Karte und das Flugzeugregister des Nordafrikanischen Bundes vor. ECF – großer Vulkan, das war ja eine Regierungsmaschine des Bundes, ein schnelles einsitziges Flugzeug, in Kairo stationiert. Der Pilot mußte direkt in Kairo gestartet sein und aus irgendeinem Grunde erst in den letzten Minuten von der bevorstehenden Sprengung erfahren haben. Aber wie war das möglich, das Sicherungssystem war doch lückenlos?
Ich muß gestehen, daß mir nicht wohl in meiner Haut war. Mancher denkt vielleicht, wenn einer dauernd mit so gefährlichen Dingen wie Sprengstoff umgeht, muß er schließlich leichtsinnig werden. Aber das ist ein Trugschluß. Früher mag es wohl so was gegeben haben, als jeder noch darauf aus war, etwas ganz Besonderes zu sein und aufzufallen, sei es mit einem ulkigen Haarschnitt oder mit dem traurigen Mut, sich und andere irgendwelchen Gefahren auszusetzen. Ich war überzeugt, daß ich nie eine Vorsichtsmaßnahme außer acht ließ. Aber trotzdem dachte ich jetzt noch einmal genau nach, ob wir nicht doch etwas vergessen hatten.
Und wieder schien Inge mit unwahrscheinlicher Präzision genau wie ich gedacht zu haben. Als ich nämlich zu dem Ergebnis gekommen war, daß von unserer Seite keine Unterlassung vorlag, die den Unfall – denn das war es doch wohl – herbeigeführt haben konnte, sagte sie: »Nein, wir haben nichts
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