Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)
das Eis aus dem Wasser ragte. Obwohl sie immer noch riesig wirkte, nahm ihr das Tageslicht den zauberhaften Schein und gab sie als das preis, was sie war, ein Konstrukt aus marodem Holz, zersplittert und mit Nägeln gespickt. Ich näherte mich, so gut es ging, weit vorsichtiger als in der Nacht, und konnte die grauen Bohlen schließlich genauer betrachten. Dermaßen verwittert wirkte das Konstrukt wie ein Knochengerüst. Es dämmerte mir nicht sofort, aber in einem entlegenen Winkel meines Geistes spross der Keim einer Erzählung und wuchs sich aus, noch während ich mit den Händen in den Taschen und der glühenden Marlboro im Mund dastand.
Am Ufer entlang ging ich weiter nach Norden, bis die Landschaft zu steil und unwägbar wurde. Ich schaute von einer Anhöhe aus zurück, die sich ungefähr fünfzehn Meter über dem Wasser erstreckte. Zweige lagen im Gestrüpp, das die Erde überwucherte und schroffe Felsen ragten aus dem Schnee. Alle Bäume waren kahl, und ihre Äste boten mir sicheren Halt, damit ich nicht mit den Füßen wegrutschte und über den Rand fiel. Die spitzen Felsen hätten mich wie Krokodile zerrissen, die einer arglosen Gazelle harrten.
Von dieser Stelle aus überblickte ich die gesamte Umgebung des Sees. Er war größer, als ich gedacht hatte, denn vom Haus aus versperrten die hohen Kiefern, die das Grundstück säumten, die Sicht auf die Ränder. Hier jedoch konnte ich ungehindert schauen, und er wirkte noch spektakulärer. Ich konnte mir vorstellen, wie es im Sommer aussah, mit all den Bäumen in ihrer Blütenpracht, die Sonne, die einen rotbraunen Streif am Horizont malte, und Kumuluswolken am von Vögeln übervölkerten Himmel dahinzogen. Die seltsame Holztreppe sah aus wie der Aussichtsturm eines U-Bootes, das durch die Eisdecke brach.
Nur ein weiteres Haus stand am See, und zwar genau hinter mir. Drehte ich mich um, konnte ich es durch die dürren, verschlungenen Äste der nackten Bäume ausmachen. Es war im Stil einer Waldhütte gebaut, im Moment mit rauchendem Schornstein, wie man es vom Etikett einer Flasche Ahornsirup erwartete. Die Veranda ringsum war auffällig mit Holzeinlegearbeiten verziert. Von ihr, das ahnte ich, genoss man eine bessere Aussicht auf den See als von meiner Warte aus. Rauchfahnen kräuselten sich gemütlich über dem Dach, geradezu düster gegen den grauen Nachmittagshimmel. Von einer Seite des Hauses zum Scheitelpunkt der Anhöhe wuchs eine Reihe Kiefern. Die Bäume ähnelten Menschen, die Schulter an Schulter standen, wobei ihre Glieder im Wind schaukelten.
Als Jodie später am Abend nach Hause kam, saß ich auf der Wohnzimmercouch und schrieb in ein Ringbuch.
»Wie war es am College?«
»Verglichen mit der Professorenschaft in London kommen diese Typen rüber wie Statisten aus der Andy Griffith Show .«
»So übel kann es nicht sein.«
»Ich übertreibe ein wenig, aber nicht viel. Der Geschäftsführer der Fakultät trug eine verdammte Schnürsenkelkrawatte.«
»Wie sieht es mit den Punkten aus?«
Sie beugte sich über die Armlehne der Couch und drückte mir ihre kalte Nase gegen die Schläfe. »Ich darf freudig verkünden, dass sie alle angerechnet werden. Heute Abend bin ich ein glückliches Mädchen, Mr. Glasgow. Sieh zu, dass du das ausnutzt, solange du kannst.«
Ich klappte das Ringbuch zu und küsste sie. »Klingt nach einer guten Idee.«
»Arbeitest du an etwas?«
»Hab mir bloß ein paar Notizen gemacht.«
»Hast du die Schreibblockade endlich überwunden?«
Ich zuckte unverbindlich mit den Achseln. »Reite nicht darauf herum.«
Sie richtete sich wieder auf und zog ihre Jacke aus. »Bist du dazu gekommen, die Kartons im Keller auszuräumen?«
»Natürlich.« Ich musste wieder an die Fußspuren denken. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter.
Jodie legte den Kopf an meine Schulter und fuhr mit einer Hand den Nacken hinauf in mein Haar.
»Du riechst gut.«
Ich drehte mich und küsste sie. Sie ließ sich auf dem Sofa nieder und zog mich zu sich herab. Wie aus dem Nichts überkam mich eine animalische Lust, wie ich sie seit der Zeit vor unserer Hochzeit nicht mehr verspürt hatte. Ich war mir sicher, dass Jodie genauso empfand, und einen Moment später liebten wir uns auf dem Sofa. Meine Jeans hing noch an einem Knöchel fest, als ich ihr die Bluse, die sie nur teilweise aufgeknöpft hatte, über den Kopf zog. Es dauerte nur drei bis vier Minuten, fiel dafür aber umso ungestümer und leidenschaftlicher aus.
Als wir fertig waren,
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