Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)
ich fest, dass es tatsächlich eine Tür war, ähnlich der Wandschränke unserer Londoner Wohnung, in denen wir Lebensmittel verstaut hatten. Die Regalböden waren an einer Seite mit Haken versehen, das Fach dank eines Magneten geschlossen geblieben. Dieser gab nach, als ich gegen die Tür drückte, und schon ging sie auf. Ein dunkles Loch offenbarte sich. Eiskalte Luft strömte heraus und verursachte mir einen Schauer über den Rücken. Schlecht isoliert.
Ich zog die Tür ganz auf, um hineinzusehen. Das eckige Fach war nicht geräumiger als die Trommel einer Waschmaschine. Der Boden bestand aus unbehandelten Brettern, die Streben in den Wänden waren mit undurchsichtiger Papierfolie bedeckt, aus der rosafarbene Spitzen des Dämmmaterials ragten wie die Polsterung einer alten Couch.
Einige Gegenstände am Boden erkannte ich. Eines war unbestreitbar ein Baseball. Ein abgegriffenes Dagobert-Duck-Comic. Einige Matchbox-Autos (und allein sie anzusehen versetzte mir einen kalten Stich ins Herz. Schlagartig erinnerte ich mich an diejenigen, auf die ich nach Kyles Beerdigung unter seinem Bett gestoßen war, woraufhin mich Vater in seiner Trauer mit dem Gürtel geschlagen hatte. Gleich darauf war er zurück in seinen Arbeitsraum gegangen, um im Stillen zu weinen.) Dahinter stand ein Schuhkarton, der ein wenig Staub angesetzt hatte.
Das Geheimversteck eines Kindes, dachte ich mir, als ich hineingriff und den Karton nach vorne zog. Dabei hinterließ ich einen deutlichen Handabdruck auf dem Deckel. Auf meinem Schoß wog er wenig, aber leer war er definitiv nicht. Kurz nach dem Öffnen stieß ich ihn blitzschnell von mir und kroch ein Stück auf dem Teppich zurück.
Der Karton blieb auf der Seite liegen und zwei tote Vögel kullerten heraus.
Die Schachtel war voll von toten Vögeln, ihre Augen waren weiß wie Marmor, verdreht nunmehr, mit knochigen Krallen, scheinbar in der Bewegung erstarrt. Nach dem ersten Schock beugte ich mich nach vorn und betrachtete die Kadaver genauer. Sie waren steif gefroren, wie glitzernder Reif auf ihren graubraunen Federn zeigte. Einige hatten den Schnabel halb geöffnet.
Ich suchte mir einen Stoß Packpapier und legte die beiden kleinen Kadaver darin eingeschlagen zu den übrigen zurück. Jeder von ihnen war leicht wie eine Christbaumkugel. Der Karton kam mir vor wie ein Massengrab. Neun Tiere lagen insgesamt darin. Was für ein grausames Kind –
Natürlich kehrte gleich die Erinnerung an meine eigene Jugend wieder, als ich mich mit dem Frosch in den Händen hinter dem Schuppen versteckt oder das Nest voller Küken in dem Strauch an der Garage geschmissen hatte. Jeden einzelnen kleinen Vogel hatte ich zerquetscht, bis klebrig gelbe Flüssigkeit aus ihren Aftern gequollen war. Ich fühlte mich schlecht.
»Scheiß drauf.« Ich setzte den Deckel wieder auf, machte die kleine Tür zu und trug den Schuhkarton in die Küche, wo er in einen Müllsack wanderte. Den brachte ich in den Hof und warf ihn in eine der großen Tonnen.
Im Keller herrschte ein schizophrenes Durcheinander aus Stühlen, Kisten und willkürlich irgendwo abgestellten Gegenständen, die in ihrer Funktion nicht mehr zu gebrauchen waren. Die ehemaligen Bewohner, die Dentmans, hatten das Gewölbe mit Gipsplatten unterteilt und die einst geräumige Fläche unter niedriger Decke in ein Labyrinth aus Waben oder verwinkelten Nischen verwandelt.
Ich fand eine Taschenlampe in meinem Werkzeugkasten und leuchtete damit die Trennkammern aus – eine davon war kaum größer als ein winziges Kämmerchen – während ich durchging. Zuerst dachte ich, dass die Dentmans, oder wer auch immer diese Wände aufgestellt hatte, darauf aus gewesen seien, den Keller zu renovieren. Nach eingehender Betrachtung kam mir die Anordnung der Räume jedoch zu unkonventionell vor. Sechs waren es insgesamt, die Gipsplatten alt und dementsprechend an manchen Stellen eingerissen. Man hatte sie direkt an die tragenden Wände des Hauses genagelt, doch keiner der Räume war elektrisch verkabelt, was auf schlechte Planung schließen ließ. Immerhin waren zwei mit je einer weiteren Platte als Decke versehen worden, wo rosa Dämmstoff von oben herabhing. An einer der Trockenwände bückte ich mich mit der Lampe und sah, dass Teile abgebröckelt waren. Weißer Staub bedeckte den Betonboden. Ich tastete nach den Löchern im Gips.
»Seltsam«, murmelte ich, während ich zurück in die Kellermitte trat und die Kartons anpacken wollte, die dort gestapelt waren.
Weitere Kostenlose Bücher