Die Trinity Verschwörung
Gaddis und diese Holly sich bis zu fünfzehn Textnachrichten täglich schickten, darunter ausgesprochen lustige, die sich beinahe durchweg auf einer Skala von kokett bis obszön hätten einordnen lassen, und dass sie sich bei der Lektüre vorgekommen war wie eine Mutter, die in der Korrespondenz liebestrunkener Teenager herumschnüffelt. » Er hat beträchtliche Schulden, der Großteil geht auf seine Scheidung und Steuernachzahlungen zurück. Es wird einiges an Alkohol konsumiert, aber nicht in dem Maße, dass man von Missbrauch oder einer Schwäche auf diesem Gebiet reden könnte.«
» Trotzdem«, bemerkte Brennan ostentativ.
Tanya zupfte sich ein einzelnes Haar vom Ärmel. Sie war eine geübte Menschenkennerin und hatte den sicheren Instinkt, dass Sam Gaddis ein anständiger Junge war. So einem würde Brennan nicht mit drastischen Methoden wie Erpressung zu Leibe rücken.
» Sie sagten doch, dieser Mr. Neame wohnt in einem Pflegeheim in Winchester, Sir.« Brennan tippte gerade etwas in seinen Computer.
» Ja.«
» Nun, genau dorthin ist Gaddis letzte Woche gefahren.«
Brennan hob den Blick. » Sie sind ihm dahin gefolgt?«
» Dazu war keine Gelegenheit, Sir.«
» Aber Sie glauben, dass er Neame besucht hat?«
Tanya schob die Akte zur Seite. » Ich vermute es. Leider habe ich keine E-Mail-Korrespondenzen oder Telefongespräche zwischen den beiden finden können.«
» Scheiße!« Brennan spuckte das Wort auf seine Tastatur. » Was, zum Henker, führt Tom im Schilde?«
Tanya verstand die Frage als rhetorisch und antwortete nicht darauf. Sie hatte den Namen Neame durch den Hauptrechner des SIS geschickt und eine Niete gezogen. Auch das war ihr seltsam, sogar verdächtig vorgekommen, aber sie behielt es für sich, um Brennan nicht noch mehr zu verärgern.
» Und Sie sagen, Gaddis hätte sich nach AGINCOURT erkundigt?«
» Ja, Sir.«
Der Chef lächelte. Er hatte sich wieder im Griff. Er kannte Thomas Neame und wusste, wie sein Verstand arbeitete.
» Dann müssen wir uns keine Sorgen machen.« Er wandte sich dem Fenster zu, legte beide Handflächen auf das Glas. » Sie kümmern sich weiter um Gaddis«, sagte er. » Bleiben Sie am Ball. Ich könnte mir vorstellen, dass Tom versuchen wird, ihn auf die falsche Fährte zu locken.«
19
» Das heißt, Crane war zu keiner Zeit der sechste Cambridge-Spion?«
Auf einmal fühlte Gaddis das ganze Projekt wieder in sich zusammenstürzen. Keine der Spuren der letzten Wochen war brauchbar. Sie mündeten alle in einem Gasthof in Hampshire in eine Sackgasse.
» Ich verstehe nicht?«
» Bei unserem letzten Treffen haben Sie mir in aller Ausführlichkeit erzählt, wie Crane am Trinity College von Arnold Deutsch rekrutiert wurde, wie gut er mit Burgess befreundet war und dass er Ende der dreißiger Jahre einen Ring von NKWD -Spionen in Oxford leitete. Und auf einmal soll er ein Doppelagent für den MI 6 gewesen sein. Was denn nun?«
» Beides.«
Am Ende seiner Geduld angekommen, stützte Gaddis die Ellenbogen auf den Tisch, nahm den Kopf zwischen die Hände und starrte auf Neame. Er musste sich eine andere Strategie überlegen, um seine Steuerschulden und Mins Schulgeld zu bezahlen. Dann lieferte er der BBC eben ein Buch über Oligarchen, eine blutrünstige Abramowitsch-Doku oder so etwas. Neames Aussagen waren in etwa so verlässlich wie die Peter Wrights.
» Was wollen Sie damit sagen, Tom? Beides?«
Zum ersten Mal wurde Gaddis ihm gegenüber etwas laut. Neame lehnte seinen Gehstock gegen die Wand und schlürfte sein Glas mit behutsamen Schlucken leer. Die Suppenschüsseln waren endlich von der Wirtin weggetragen worden.
» Nach dem Krieg machte Eddie eine Krise durch.« Neame sprach langsam, knapp, aber ohne den leisesten Anflug von Verdruss; fast so, als könnte er Gaddis’ Enttäuschung verstehen und wollte ihn beruhigen. » Er bedauerte seine Zusammenarbeit mit den Sowjets zutiefst, hatte das Gefühl, er hätte außer ein paar Informationen aus dem ULTRA -Programm keine Geheimnisse der Alliierten an Moskau weitergeben dürfen. Er wusste inzwischen, welchen Weg Stalin einschlug, und war ganz und gar nicht damit einverstanden. Und deshalb stellte er sich, kurz nachdem Guy und Donald verschwunden waren.«
Gaddis spürte ein leises Pulsieren von Hoffnung, in einen toten Kreislauf kehrte Leben zurück.
» Eddie hatte einen guten Freund beim MI 5, einen Mann namens Dick White. Sie haben sicher von ihm gehört. Direktor Bereich B, Spionageabwehr. Später wurde er
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