Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
Mädchen, außer meiner Tochter, die, wie Ihr sicher wißt, die Base des Kaisers ist.«
»Mutter, ich habe solche Angst«, rief Agnes, und die Tränen liefen in Strömen über ihr niedliches Gesicht. »Was soll ich mit einem Ehemann, der mich vielleicht auch am Morgen nach der Hochzeit verstößt? Außerdem hört man, daß er häßlich ist mit seinem roten Haarschopf, und man nennt ihn Philipp den Ungekämmten. Und herzenskalt muß er auch sein, sonst hätte er Ingeborg nicht verstoßen.«
»Ja, meine Tochter«, sagte die Pfalzgräfin grimmig, »ich wüßte auch nicht, was ihn empfehlen könnte, außer natürlich,
daß er König von Frankreich ist. Aber wie könnten wir uns dem ausdrücklichen Wunsch, ja eigentlich dem Befehl des Kaisers widersetzen?«
Agnes weinte noch verzweifelter, und Gunther dachte, um wieviel besser es ihm doch ging, der seine geliebte Johanna hatte heimführen dürfen. Das weinende Mädchen weckte in ihm den Wunsch, sie zu beschützen; aber schließlich war er kein Ritter, der den Drachen Philipp hätte bekämpfen können.
»Ihr sagtet, nach der Hochzeitsnacht? Aber dann ist seine Ehe doch rechtsgültig. Wie kann er dann an eine neue Heirat denken?« fragte er.
»Sie ist rechtsgültig, falls sie in dieser Nacht vollzogen wurde. Ob das geschehen ist, weiß ich natürlich nicht, ich war ja nicht dabei«, sagte die Pfalzgräfin gereizt.
»Oh, Mutter, ich will ihn nicht. Ich will Heinrich, mit dem ich mein ganzes Leben lang verlobt bin!« jammerte Agnes.
Gunther spukten immer noch Bilder seiner eigenen, glücklichen Hochzeit im Kopf herum; und da kam ihm der rettende Einfall.
»Und wenn Ihr den Sohn des Löwen einfach ganz rasch heiratet, ohne es dem Kaiser vorher zu sagen? Wie Eure Frau Mutter sagt: Ist eine Ehe vollzogen, dann kann sie nicht mehr aufgelöst werden, auch durch den Kaiser nicht …«
Schlagartig verstummte das Weinen. Die beiden Frauen starrten ihn an.
»Mutter, wäre das möglich?« fragte Agnes schüchtern. Die Pfalzgräfin erhob sich, trat zum Fenster; es war inzwischen dunkel geworden, und sie sah nur den Lampenschein aus dem Pförtnerhäuschen dringen.
Sie dachte lange nach, und als sie sich schließlich umwandte, ging ein spitzbübisches Lächeln über ihr Gesicht.
»Gunther, für diesen klugen Gedanken habt Ihr eine Menge
bei uns gut. Ich muß gestehen, ich wäre selbst gar nicht auf die Idee gekommen, mich dem Befehl des Kaisers zu widersetzen. Und dazu gegen den Auftrag meines Gemahls zu handeln, was für mich wesentlich schwerer wiegt. Aber ich habe nur diese eine Tochter, und ihre Zukunft ist mir das Wichtigste auf der Welt. Ich bin bereit, dem Kaiser zu trotzen, und ich nehme sogar den Zorn meines Ehemannes auf mich, wenn ich meinem Kind sein Glück sichern kann.
Allerdings müßte es sehr, sehr rasch gehen. Der Pfalzgraf weilt zur Zeit beim Kaiser, wie ich Euch schon sagte. Er kann aber schon bald zurückkommen, und dann würde er verhindern, daß Agnes den Löwensohn heiratet. Ich brauche einen schnellen, zuverlässigen, vertrauenswürdigen Boten, nur habe ich den nicht, weil mein Gemahl alle jungen Männer mitgenommen hat. Gunther, würdet Ihr uns den großen Gefallen tun und für das Glück meiner Tochter nach Braunschweig reiten?«
Gunther schluckte. Einerseits wollte er gern der jungen Agnes helfen, andererseits war er unserer Familie die Verantwortung für die Handelsfahrt schuldig.
»Meine Waren …« begann er zögernd. Aber die Pfalzgräfin fiel ihm sofort ins Wort.
»Ich kaufe Euch alles ab, was Ihr bei Euch habt. Fuhrwerk, Pferde und Knechte sind bei mir in guter Obhut bis zu Eurer Rückkehr - mit dem jungen Heinrich.«
»Oh, bitte!« flehte Agnes und ergriff Gunthers Ärmel. »Ich würde Euch bis ans Ende meiner Tage danken!«
Was blieb Gunther anderes übrig? Er hatte eigentlich gehofft, zum Weihnachtsfest wieder in Köln zu sein. Statt dessen machte er sich am nächsten Tag in aller Frühe auf den Weg, versehen mit dem besten Pferd des Stalles, reichlich Geld und ausreichend Proviant für ihn wie auch Hafer für das Tier. Zum Glück hatte die Pfalzgräfin gute Landkarten, so daß Gunther vor der Abreise festlegen konnte, wo
er jeweils übernachten und bei Bedarf das Pferd wechseln konnte.
Während er so rasch wie möglich durch das Land ritt, haderte Gunther mit sich selbst und seiner Gutmütigkeit. Was, wenn das milde Winterwetter sich verschlechterte? Was, wenn der junge Heinrich sich nicht in Braunschweig aufhielt? Was, wenn
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