Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
seines Vaters den Schwur halten, was mich sehr wunderte. Er ließ die englischen Geiseln frei, denn nun mußten sie ja nicht mehr für die Zahlung der noch ausstehenden Restsumme bürgen, und wollte ihnen das bereits bezahlte Geld mitgeben. Wie dein Bruder Heinrich später in London erfuhr, wehrten diese das Ansinnen entsetzt ab! Sie hatten keine Lust, für Silber, das nicht ihnen gehörte und das sie in England wieder abzuliefern hätten, das Ziel sämtlicher Räuber auf ihrem Heimweg zu werden. Nun kehrten sie also ohne das Geld zurück, und bei diesem großherzigen Angebot des Herzogs ist es dann wohl geblieben - jedenfalls hat niemand etwas darüber erfahren, daß er einen weiteren Anlauf zur Rückerstattung unternommen hätte.
Eine wunderschöne Geschichte möchte ich dir noch erzählen, die sich ganz kurz vor dem Besuch von Königin Alienor zutrug. Du warst noch ganz klein, hattest gerade laufen gelernt und machtest das ganze Haus unsicher, als dein Bruder Gunther auf einer Handelsfahrt die Burg Stahleck besuchte, wo der Pfalzgraf bei Rhein residierte. Er traf jedoch den Hausherrn nicht an, Pfalzgraf Konrad von Hohenstaufen befand sich gerade am Hof seines Neffen, des Kaisers Heinrich. Das war ärgerlich für Gunther, denn er hatte eine Ladung kölnischer Schwerter bei sich, die er dem Pfalzgrafen gerne verkauft hätte. Immerhin war die Pfalzgräfin an seinen Kölner Borten interessiert.
»Ich lasse gerade Festgewänder für die ganze Familie nähen«, bemerkte sie und rieb prüfend über die Seidenfäden. »Unsere einzige Tochter Agnes wird bald heiraten.«
Gunther sah zu dem jungen Mädchen hinüber, das am Fenster saß und sich nicht für seine Borten interessierte. Nicht der kleinste Freudenschimmer huschte über ihr Gesicht bei den Worten der Mutter. Das wunderte Gunther.
»So wünsche ich der jungen Pfalzgräfin alles Glück der Welt«, bemerkte er höflich. Dann fiel ihm etwas ein.
»Meine Mutter hat uns oft erzählt, wie Herzogin Mathildes kleiner Sohn Heinrich auf einem Steckenpferd durch die Kemenate seiner Mutter ritt und sich damit wichtig machte, er habe schon eine Braut …«
Verblüfft ließ die Pfalzgräfin die Borte fallen. »Wie? Eure Mutter kennt die Familie des Herzogs von Sachsen?«
Gunther lachte verlegen. »Ja, sie war seit früher Jugend eine enge Freundin der Herzogin. Sie weilte oft an ihrem Hof. Auch ich bin öfters dort gewesen, denn unsere Handelsfahrten führen regelmäßig nach Braunschweig.«
Da sprang Agnes auf und trat zu ihrer Mutter.
»Ihr kennt also den jungen Heinrich?« fragte sie mit glänzenden Augen. »Bitte, erzählt mir von ihm!«
»Das tue ich sehr gern. Er ist ein bemerkenswerter Mann: Von kräftiger Statur wie sein Vater, der Löwe, aber mit den feinen Gesichtszügen seiner Mutter, der englischen Königstochter. Ein glänzender Reiter, ein gewandter Kämpfer; dabei ein wohlerzogener, freundlicher, liebenswerter Mensch, der mit einfachen Leuten ebensogut umzugehen weiß wie mit dem höchsten Adel. Alle Welt redet davon, wie kühn er aus dem kaiserlichen Lager vor Neapel geflohen ist.
Aber das werdet ihr ja besser wissen, da ihr mit ihm verlobt seid und, wie ich von Eurer Frau Mutter höre, bald seine Frau sein werdet.«
Da brach Agnes in Tränen aus. Die Mutter legte tröstend den Arm um das schluchzende Mädchen.
»Ihr seid nicht ganz auf dem laufenden«, sagte sie dann zögernd. »Es ist richtig, daß unsere Agnes schon als kleines Mädchen mit dem Erben Herzog Heinrichs verlobt wurde; aber der Kaiser hat nun befohlen, daß sie die Gemahlin des Königs von Frankreich werden soll.«
Gunther blinzelte verblüfft.
»Wahrscheinlich kenne ich mich nicht gut genug mit den Angelegenheiten der Fürstenhöfe aus«, sagte er. »Mein Onkel Constantin weiß das alles sicher viel besser. Aber ich dachte, daß der König von Frankreich verheiratet ist, und das erst seit ganz kurzer Zeit?«
Die Pfalzgräfin nickte gewichtig. »Das ist richtig. Er hat im August die dänische Königstochter Ingeborg zur Frau genommen.«
»Dann verstehe ich nicht …« stammelte Gunther.
»Nach der Hochzeitsnacht hat König Philipp erklärt, auf keinen Fall wolle er mit dieser Frau eine Ehe führen. Sobald er in ihre Nähe käme, befiele ihn ein unerklärliches Zittern. Darum hat er sie vor vier Wochen verstoßen und dem Kaiser zu dessen Freude mitteilen lassen, er wünsche eine Verbindung mit der hohenstaufischen Familie. Und zur Zeit gibt es dort kein heiratsfähiges
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