Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
ganz fest und wünschte offenbar, daß ich bleiben möge. Das war mir peinlich, denn wenn ich auch stolz auf meine Familie bin, so habe ich doch nicht vergessen, daß eine Kaufmannstochter nicht im Rang einer Hofdame steht. Ich fand eine Lösung und stellte mich hinter Mathildes Stuhl, als wollte ich sie bedienen. Das war freilich nicht nötig, denn Mathildes Dienerschaft war hervorragend geschult, servierte nun das mit größter Sorgfalt zubereitete Essen und blieb dabei gleichsam unsichtbar und unhörbar.
Das Brautpaar saß allerdings und rührte die Speisen nicht an. Sie betrachteten sich gegenseitig, und ganz offensichtlich waren sie voneinander begeistert. Daß meine zarte, schöne Prinzessin das Wohlgefallen des Herzogs erregte, war ja nicht weiter verwunderlich; aber auch ihre Augen sahen, wie ich annehme, etwas ganz anderes als meine: nämlich den Traumprinzen, nach dem sie sich seit ihrer Verlobung gesehnt hatte.
Wieder lächelte Herr Heinrich, und ich muß gestehen, daß nun auch ich ihn nahezu unwiderstehlich fand. »Was willst du von mir wissen, meine kleine Prinzessin?« fragte er sie mit sanfter Stimme, und ich stellte fest, daß auch der Klang seiner Stimme sehr angenehm und verführerisch war, wenn er den Kommandoton beiseite ließ.
Mathilde sah ihn eine Weile stumm an. »Wie wird es sein?« fragte sie dann mit ganz schwacher Stimme.
»Jeder Tag ein Fest. Jede Nacht ein Traum. Ich werde dich lieben und ehren, jeden Tag meines Lebens. Ich lege dir mein Reich zu Füßen, und du sollst an meiner Seite darüber herrschen. Wir werden Kinder haben, viele Kinder, wenn Gott sie uns schenken will. Und sollten uns Schicksalsschläge treffen, dann wollen wir sie gemeinsam tragen und uns gegenseitig stützen. Willst du das, Mathilde, meine ersehnte Prinzessin?«
Und sie legte ihre Hand auf die seine und sagte: »Ja, das will ich. Und jetzt will ich mit dir dieses schöne Essen verzehren, das inzwischen kalt geworden ist.«
Und dann lachten sie wie zwei Kinder und verspeisten vergnügt ihre Mahlzeit. Ich zog mich verstohlen in den Hintergrund zurück, denn nun hatte mich Mathilde offenbar vergessen, und ich wollte ihr Gespräch nicht weiter belauschen - auch wenn ich gestehen muß, daß ich immer eine große Lauscherin gewesen bin. Darum weiß ich auch nicht, was sie noch alles miteinander besprachen. Ich fühlte mich zutiefst gerührt. Meine Eltern wechselten ihre Liebesworte nicht unbedingt vor meinen Ohren, und darum hatte ich noch niemals eine so wundervolle Liebeserklärung gehört.
Mein armer Gerard hätte von Herrn Heinrich sehr viel lernen können.
Es wurde sehr spät, und irgendwann bin ich in meinem Winkel eingenickt. Die Kälte der frühen Morgenstunden weckte mich. Der Raum war leer und dunkel, bis auf eine kleine, fast leergebrannte Öllampe. Alle Knochen taten mir weh, und ich wünschte mir nichts weiter, als in das schöne Bett zu kriechen und mich dort langsam wieder aufzuwärmen. Aber ich traute mich nicht dorthin, denn dazu hätte ich ja
durch das Schlafgemach von Mathilde gehen müssen, und wer weiß, welch peinliche Situation das vielleicht heraufbeschworen hätte. Also mußte ich es in meinem ungemütlichen Winkel aushalten, holte mir aber Kissen von den Stühlen und das Tafeltuch vom Tisch und machte mir daraus ein notdürftiges Nest. Als es schließlich dämmerte, wurde ich langsam ganz verzweifelt. Bald würde die Dienerschaft kommen, und niemand hatte sich verstohlen aus Mathildes Gemach geschlichen. Ich wollte ihr ein behutsames Zeichen geben, erhob mich ächzend, ging zu ihrer Tür und klopfte ganz sachte an. Sofort ertönte Mathildes glockenwache Stimme: »Herein.« Ganz langsam und vorsichtig öffnete ich die Tür und wartete noch ein paar Augenblicke, ehe ich es wagte, den Kopf hineinzustecken. Da lag Mathilde, die Arme unter dem Kopf gekreuzt, und schaute mich mit weit geöffneten Augen an. Und sie war allein.
»Guten Morgen, Sophia. Wieso bist du denn schon auf?«
Ich murmelte etwas von »draußen eingeschlafen«.
Schuldbewußt sagte Mathilde: »Ach, Sophia, es tut mir leid, ich habe gar nicht mehr an dich gedacht. Bitte verzeih mir, ich war so gefangen im Gespräch mit Herrn Heinrich. Ich bin so glücklich! Aber ich verstehe nicht, warum du im Saal geschlafen hast und nicht in deinem Bett.«
»Wie konnte ich denn?« fragte ich verzweifelt. »Ich hätte ja durch diesen Raum gehen müssen, und das habe ich nicht gewagt.«
»Seit wann braucht man denn besonderen Mut,
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