Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
wieder in Köln ankamen, überzog schon der Frühling vorzeitig das Land. In unserem Garten streckten die ersten Blumen die Köpfe schüchtern aus dem sattbraunen
Erdreich; Tropfen hingen an den Zweigen, morgens weckten uns die Vögel mit schallendem Gesang.
Dafür waren aber auch die letzten Reisetage sehr mühsam gewesen, weil die Wege aufgeweicht waren und die Wagen des öfteren im Schlamm steckenblieben. Dann brauchten wir alle Kräfte, um sie wieder herauszuzerren. Auch ich half mit, obwohl die Männer andeuteten, ich solle besser nicht störend zwischen ihren Füßen herumlaufen. Aber ich hielt es für meine Pflicht, mit anzuschieben, und dankte dem Himmel für die Knabenkleider, die ich nun wieder trug.
Es ist darum nicht verwunderlich, daß ich todmüde zu Hause ankam und den nächsten Tag verschlief. Gerne hätte ich noch einen weiteren Tag im Bett verbracht, aber Großvater Eckebrecht ließ mich zur Berichterstattung rufen und hörte sich meine Erzählung sehr interessiert an.
»Welchen Eindruck hast du von dem Herzog?« fragte er.
Ich überlegte.
»Er ist ein sehr kraftvoller Mensch mit einer starken Ausstrahlung«, sagte ich dann. »Ein hervorragender Kämpfer. Er hat dem Kaiser nach seiner Krönung in Rom das Leben gerettet, als der wildgewordene römische Mob über ihn herfiel.«
»Die Geschichte kenne ich«, meinte Großvater. »Auch dein Vetter Constantin war dabei und hat den Kaiser unter Einsatz seines Lebens verteidigt.«
Das hatte ich nicht gewußt. Constantin liebte es gar nicht, mit seinen Heldentaten zu prahlen.
»Wenn ich nach den Schilderungen seines jungen Ritters beim Hochzeitsmahl gehe, ist Herr Heinrich dabei, sein Herzogtum mit sehr fester Hand neu zu organisieren und besonders die wendischen Völker an seiner Ostgrenze weitaus kürzer an die Leine zu nehmen als bisher«, fügte ich hinzu.
Großvater nickte bedächtig. »Das deckt sich mit dem, was
Constantin mir berichtet hat. Und was haben wir daraus zu schließen?«
»Daß es einen neuen, riesigen Markt geben wird«, rief ich begeistert. »Der Herzog fördert die Kaufleute und schützt ihre Wege.«
»Und läßt es sich gebührend bezahlen«, meinte Großvater, aber er schien das nicht weiter schlimm zu finden.
»Absetzen können wir in Sachsen alles. Aber was kaufen wir dort?«
»Salz«, sagte ich prompt.
»Genau. Weißes Gold. Niemand kann auf Salz verzichten, und wie ich höre, hat Herr Heinrich viel in seine Lüneburger Salinen investiert. Hat dein Ritter dir beim Hochzeitsmahl auch etwas über Braunschweig erzählt?«
»Ja, Großvater. Er hat sehr davon geschwärmt. Herzog Heinrich hat das verschlafene Nest wunderbar ausgebaut und seine Burg Dankwarderode prächtig ausgestattet. Sie liegt mitten in der Stadt.
Der Herzog hat auch einen Löwen aus Bronze gießen lassen, der wiegt soviel wie zehn große starke Männer. Er ließ ihn vor dem Dom aufstellen, denn er soll auf Braunschweig aufpassen, wenn der echte Löwe abwesend ist. Er ist vergoldet, es muß wunderschön aussehen, wenn die Sonne darauf scheint. Ach, wie gerne würde ich das einmal sehen! Und natürlich hat er einen Markt eingerichtet.«
»Das klingt vielversprechend! Wir sollten sofort jedes Jahr eine Fahrt dorthin machen«, befand Großvater.
Dann sah er mich freundlich an. »Komm mal her zu mir.« Er nahm mich in den Arm und drückte mich fest.
»Das hast du gut gemacht, Sophia. Du hast viel gelernt. Du hast genau die Erkundigungen eingezogen, die wir brauchen. Und dein persönlicher Kontakt zu der jungen Herzogin kann uns auch viel nützen. Ich bin sehr stolz auf dich.«
Ich ging mit verzücktem Gesicht nach Hause. Ein Lob von Großvater, das war etwas Großartiges.
Auf dem Heimweg blieb ich plötzlich stehen. Mir war eingefallen, daß ich völlig vergessen hatte, Großvater von dem Erlebnis mit dem Juden Samuel in Dortmund zu berichten. Sollte ich umkehren? Aber dann dachte ich, daß es Großvater schmerzen würde, von der Ablehnung Samuels zu erfahren, und das wollte ich ihm ersparen. So ging ich dann nach Hause.
Daß Gottschalk mich vor dem Räuber gerettet hatte, behielt ich lieber für mich.
Die nächsten Monate verliefen ruhig, nach meinem Geschmack vielleicht zu ruhig. Mir war langweilig, darum stürzte ich mich in die Arbeit, machte zuerst Inventur im Warenlager meiner Mutter, dann bei meinem Vater und zum Schluß noch bei Großvater Eckebrecht. Im Sommer erwähnte Vater, daß er Herrn Gottschalk gesehen hatte.
»Er erzählte mir,
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