Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
der Mitte, eingerahmt von Constantins Töchtern mit Hildeger und Cunrad. Ich reichte Gottschalk gerade bis zur Schulter und mußte an Mathilde denken, die ihren Gemahl um fast einen Kopf überragt hatte. Vorsichtig blickte ich an meinem zukünftigen Eheherrn hoch; ein Lichtstrahl fiel durch ein Fenster genau auf seinen Kopf. Mein Herz schlug so laut, daß ich meinte, jeder in der Kirche müsse es hören, und ich zitterte vor Aufregung. Mit
diesem Lichtschein um sein Haupt erschien mir Gottschalk wie ein Engel.
Heute muß ich allerdings zugeben: Es war das erste und blieb das einzige Mal. In unserem langen gemeinsamen Leben erschien er mir wie alles mögliche, aber der Vergleich mit einem Engel kam mir nie wieder in den Sinn.
Damals aber war ich so gefangen, daß ich nicht einmal die Frage des Dompropstes hörte. Ich erschrak sehr, als er mit erhobener Stimme wiederholte:
»Und so frage ich dich nochmals, Sophia, Tochter des Gunther von San Laurentio und der Hadewigis Scherfgin: Willst du diesen Mann Gottschalk als deinen Ehemann annehmen, ihn achten und lieben, bis daß der Tod euch scheidet?«
Ich wollte mit klarer und deutlicher Stimme antworten, aber meine Kehle war wie zugeschnürt. Immerhin bewegten sich meine Lippen in der Anstrengung, ein »Ja!« zu formen, und das schien dem Dompropst zu genügen, denn jetzt wandte er sich an Gottschalk, und dessen »Ja!« erschütterte die ganze Kirche.
Nachdem die beiden anderen Paare vernehmbar und fröhlich ihre Zustimmung zum zukünftigen Lebensbund gegeben hatten und der Dompropst den Segen des Allerhöchsten auf uns herabgefleht hatte, nahm Gottschalk meine Hand und führte mich aus dem Gotteshaus. Die Sonne fiel in breitem Schwall in die geöffnete Tür, und ich hatte das Gefühl, ich ginge jetzt an der Seite meines Mannes auf einen ewig sonnigen Lebensweg. Ja, mein liebes Kind, zu Recht nennt man dieses Fest Hochzeit - es ist der Höhepunkt im Leben.
Das Fest rauschte an mir vorbei. Wir hatten das Bürgerhaus gemietet, denn selbst in unseren großen und komfortablen Häusern wäre niemals Platz für so viele Menschen gewesen. Ich erinnere mich noch, wie wir zu dritt den Brauttanz
schritten und der dicke Cunrad eine besonders elegante Drehung machen wollte und sich dabei auf den Hosenboden setzte, worüber die ganze Hochzeitsgesellschaft sehr lachen mußte, Cunrad am meisten. Nur Druda lachte nicht. Sie zog ihren Bräutigam sanft in die Höhe, klopfte ihm liebevoll den Staub von der Hose und lächelte ihn herzlich an.
Später geriet Hildegers Bruder Albero mit meinem Vetter Helperich in Streit. Die Hardefusts sind ja alle jähzornig, wenn sie getrunken haben, sonst sind es die freundlichsten Leute. Die Fäuste waren schon gezückt, da war blitzschnell Onkel Fordolf zur Stelle, schnappte sich Alberos Arm mit festem Griff und lud ihn lächelnd ein, sich doch mit ihm das jüngst geborene Fohlen im Stall anzusehen. Albero war ein großer Pferdefreund, und sofort heiterte sich seine zornige Miene auf, und er eilte mit Fordolf hinaus.
Tante Engilradis aber nahm ihren Sohn Helperich ins Gebet. Ich hörte, wie sie streng zu ihm sagte: »Gerade du solltest dich an Festen nie in Streit verwickeln lassen. Hast du vergessen, daß der Mann deiner Schwester an deiner eigenen Hochzeit wegen einer Nichtigkeit erstochen wurde?« Und Helperich, der bei seiner Mutter immer sanft wie ein Lämmchen war, senkte betreten den Kopf und gelobte Besserung.
Dank der Wachsamkeit der älteren Familienmitglieder verlief das Hochzeitsfest dann so, wie es sich gehört: Tanz, Gelächter, Essen, Trinken, Gaukler und Musikanten, wieder Essen und Trinken, Gesang, der in falsche Töne und Grölerei ausartete, und dergleichen Lustbarkeiten mehr.
Der Abend war schon weit fortgeschritten und die Stimmung ebenso, da zupfte mich Gottschalk am Ärmel.
»Wenn ich jetzt noch weiter mit allen Leuten trinken soll, die mir zuprosten, dann weiß ich nicht, wie die Hochzeitsnacht enden wird. Sollen wir darum nicht lieber jetzt gehen?«
Ich wollte keinen lallenden und torkelnden Bräutigam und nickte ihm daher zu. Nur meiner Mutter gab ich noch unauffällig Bescheid, dann stahlen wir uns einfach davon. Mochte die Hochzeitsgesellschaft weiter schlemmen, tanzen und trinken - wir hatten Besseres vor. Das Gejohle, mit dem man ein jungvermähltes Paar zum Brautbett führt, mochten sie sich für die beiden anderen Brautpaare aufsparen.
Und so schritt ich an Gottschalks Arm in mein neues Leben
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