Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
einmal war. Schlaf in Frieden, Eckebrecht, mein Großvater, und meine Liebe begleitet dich, wohin du auch gehst.
Zweiter Teil
K omm her, meine Methildis. Laß deine Näharbeit jetzt einmal beiseite und höre mir zu. Ja, ich habe heute wieder Lust, dir aus meinem Leben zu erzählen. Hast du deine Tafel bereit, um dir Notizen zu machen? Gut. Die Erinnerung an Eckebrechts Sterben hat mich so sehr mitgenommen, ich konnte einfach nicht weiterberichten. Aber nun sollst du hören, was danach geschah.
Wie ich es in seiner Todesstunde geahnt hatte: Mit ihm war eine Welt dahingegangen, und nichts war mehr wie zuvor. Im gleichen Jahr kam eine große Seuche über Köln. Die Kranken hatten hohes Fieber und husteten qualvoll einen eitrigen Auswurf hervor. Viele starben daran, vor allem die Alten und die Kinder.
Engilradis, die Frau meines Onkels Fordolf, war Tag und Nacht unterwegs. Sie kniete in zugigen Hütten neben dem verlausten Strohlager von bettelarmen Kranken, pflegte sie, wusch sie auch, häufig gegen deren Willen, aber in diesem Punkt war Tante Engilradis eisern. Ständig mußte die Köchin Brei kochen, den Engilradis dann zu ihren Kranken schleppte. Das machte sie nun schon seit vielen, vielen Jahren. Gelegentlich hatte Großvater eine Bemerkung darüber gemacht, daß seine Schwiegertochter schon ein Vermögen für »ihre« Kranken ausgegeben hätte; aber sie hatte dann meistens gelacht und mit einem ihrer Lieblingssprüche geantwortet: »Wohltätigkeit bringt Zinsen im Himmel«, oder »Almosengeben verarmt nicht«. Und Großvater hatte sie auch niemals daran gehindert.
Großvater. Wie sehr er uns allen fehlte. Sein Haus und sein Geschäft gehörten nun seinem Sohn Fordolf, mit dem er ja immer zusammen gelebt hatte. Seine beiden jüngeren Söhne, mein Vater Gunther und Onkel Johannes, hatten auch ein sehr großes Erbe erhalten. Wie reich Großvater gewesen war, ersahen wir erst aus seinem Testament. Auch seine Enkel hatte er großzügig bedacht, und ich erhielt eine so große Summe Geld, daß ich endlich keine Unterstützung mehr von meinen Eltern brauchte. Mir kamen die Tränen, als Onkel Fordolf mir freundlich mitteilte, Großvater habe ihm aufgetragen, mir jedesmal einen nicht geringen Betrag auszuzahlen, wenn ich wieder ein Kind geboren hatte - denn Großvater war davon ausgegangen, daß mein Haus vor Kindern wimmeln würde. Und damit hat er ja auch recht behalten.
Die Seuche wütete wochenlang, und Engilradis wurde immer schmaler und ihr liebes Gesicht immer faltiger. Fordolf bat sie sehr, sich doch ein klein wenig zu schonen, aber davon wollte sie nichts wissen. Sie schlief sogar angezogen, um im Notfall stets bereit zu sein. Als dann eines Morgens gleich bei Tagesanbruch der Türklopfer pochte, war sie auch schon unten, ehe die Magd ihre Holzschuhe und ihr Umschlagtuch gefunden hatte. Dieses Mal wurde sie aber nicht in eine der erbärmlichen Hütten gerufen, sondern in das schöne Haus ihres Schwiegersohns Erinfried Crop bei Maria Lyskirchen. Liveradis, ihre jüngste Tochter, war erkrankt. Und hier war Engilradis’ Kunst, die schon so viele Leben gerettet hatte, machtlos; nach drei Tagen standen Erinfried und die beiden Söhne Ludwig und Constantin weinend am Totenlager ihrer Frau und Mutter.
Zutiefst betroffen kehrte Engilradis in ihr Haus zurück und fand dort den nächsten Kranken vor.
Ihre Tochter Gertrudis hatte nach dem frühen und gewaltsamen Tod ihres Ehegatten Marcmann ihr schönes Heim, in dem sie zusammen so glücklich gewesen waren, nicht mehr ertragen können und war in ihr Elternhaus zurückgekehrt. Hier hatte sie ihren Sohn Meginzo geboren und aufgezogen. Eines der ersten Seuchenopfer war vor drei Wochen Meginzos alter Großvater, Marcmanns Vater, gewesen, und Gertrudis’ Brüder Constantin und Helperich hatten einen Erbvertrag mit dessen Familie zugunsten des jungen Meginzo geschlossen, der nun siebzehn Jahre alt war. Und nun lag auch Meginzo mit hohem Fieber im Bett. Gertrudis und Engilradis wichen nicht von seiner Seite und taten alles für ihn, und es sah ganz danach aus, als ob sein junger, kräftiger Körper die Krankheit meistern könnte. Nach einer Woche sank das Fieber, und er mußte bedeutend weniger husten.
»Heute nacht mußt du aber einmal schlafen, Gertrudis«, sagte Engilradis. »Du siehst wahrhaftig elend aus. Geh nur, meine Liebe, heute schaffe ich es allein.« Und Gertrudis legte sich zu Bett, zwar widerstrebend, aber auch erleichtert und todmüde.
Auch
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