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Die Tuchhaendlerin von Koeln

Die Tuchhaendlerin von Koeln

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kuhlbach-Fricke
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Bruder Johannes in Byzanz und sein Halbbruder Fordolf waren höchst erfolgreich, wenn sie auch nicht ganz an Eckebrecht und Constantin heranreichten. Aber meine Mutter war noch besser; nur merkten das nicht viele Leute, denn sie zählte natürlich nicht zu den Ratsherren der Stadt, und sie reiste auch nicht selbst herum, sondern leitete ihren Handel ganz unauffällig von ihrem Kontor aus. Außerdem erweckte sie gern den Anschein, daß ihre großartigen Handelsergebnisse auf das Konto ihres Mannes Gunther gingen. Auch ich habe erst ganz spät bemerkt, daß es anders war.

    Ich war etwa sechs Jahre alt, saß wieder einmal ganz still in einem Winkel des Kontors und hörte zu, wie Mutter einem Gürtelmacher einen größeren Auftrag erteilte. Als die Tür hinter ihm ins Schloß fiel, drehte Mutter sich um und sah mich prüfend an.
    »Hast du zugehört, Sophia?« fragte sie sanft.
    Ich nickte.
    »Hast du auch verstanden, was ich gemacht habe?«
    Ich war mir nicht sicher, nickte aber vorsichtshalber noch einmal heftig.
    Mutter schmunzelte.
    »Ist dir klar, daß du einmal meine Geschäfte übernehmen
sollst, und die deines Vaters dazu? Dein Bruder kann es ja nicht, und wir werden keine weiteren Kinder mehr haben.«
    »Daran habe ich noch nie gedacht …«, sagte ich zögernd.
    »Du wirst alles lernen, was du dazu brauchst. Ich habe es ja auch gelernt«, sagte meine Mutter schmeichelnd. »Wie ist es, wollen wir gleich damit anfangen?«
    Ich nickte wieder. Wenn Mutter mir das zutraute, warum sollte ich es dann nicht versuchen?
    Und so zeigte sie mir an diesem Tag, wie man mit dem Abakus rechnet. Ich war begeistert über diese neue Kunst und übte in der nächsten Zeit so ausdauernd mit dem Rechner, daß Mutter ihn mir schenkte und sich einen neuen kaufte.

    Sie stiftete auch eine schön gearbeitete Ampel für die Kapelle der Ursulinerinnen. Dafür sollte eine Nonne täglich zu uns ins Haus kommen und mir Lesen und Schreiben beibringen. Ich saß stundenlang bei Hildebrand und übte immer wieder, schöne Buchstaben in eine Wachstafel zu ritzen. Wenn die Tafel voll war, gab ich Hildebrand ein Glättmesser in die Hand, und er wischte alles wieder weg und freute sich. Meine Mutter schenkte mir ein kleines Buch, einen Psalter. Ich war sehr glücklich, als das unverständliche Gekrakel darin sich plötzlich in Worte verwandelte, die ich verstehen konnte, und las Hildebrand jedes Wort vor, das ich erkannte, und später den ganzen Psalter, bis ich ihn auswendig konnte. Hildebrand hörte andächtig zu, den Kopf leicht schief gelegt, und holte tief Luft, wenn ich endete.
    Jeden Abend setzte Mutter sich zu mir, ehe ich ins Bett ging, und ich durfte ihr alle Fragen stellen, die mir im Laufe des Tages eingefallen waren. Wie lange der Gürtler an einem schlichten Stück und wie lange er an einem besonders schönen Gürtel arbeiten muß. Wieviel er von meiner Mutter
dafür bekommt. An wen sie die Waren verkauft, die sie einhandelt, und zu welchem Preis.

    Mein Vater war damals gerade auf einer Fahrt nach England. Er blieb lange fort, und Mutter machte sich schon Sorgen. Aber dann kam Gerard Quattermart aus London zurück und berichtete, daß Vater im Sturm der Mast gebrochen war, er aber dennoch ohne weiteren Schaden einen englischen Hafen erreicht hatte und erst nach Reparatur des Schiffes heimkommen werde. Es dauerte drei Monate bis zu seiner Rückkehr. Als er heimkam, feierten wir ein Fest, und ich schenkte ihm ein kleines Pergament, auf das ich - noch ein wenig krakelig - ein Gebet geschrieben und dieses mit Blumen verziert hatte. Vater war sprachlos, und ich war ungeheuer stolz. Dieses Pergament hat er bis zu seinem Tode aufbewahrt, ich fand es in seinem Nachlaß und weinte darüber vor Rührung.

    Schon immer war ich gern und oft zu Großvater Eckebrecht gegangen, weil ich mich so gut mit ihm verstand. Er war auch der einzige Großvater, den ich je hatte; der Vater meiner Mutter, Richolf von Lechenich, starb lange vor meiner Geburt, so auch ihr Bruder, der ebenfalls Richolf hieß. Daher blieben von Mutters Seite nur dessen Kinder übrig, von denen meine Vettern Hermann Scherfgin und Gerard beide das Schöffenamt bekleideten.

    Meistens brachte mich unsere Magd Mechthild in Großvaters Haus Unter Goldschmied ; in einem kleinen Leiterwagen zog sie Hildebrand hinterher. Großvater kam dann herunter und trug ihn gemeinsam mit Mechthild im Winter die Treppe hinauf ins Kontor, im Sommer in den schmalen, aber tiefen Garten hinter dem Haus.

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