Sand & Blut
Isabell Schmitt-Egner
Sandbank
D as Wasser neben dem Boot wirkte in seiner Klarheit schon unecht, fand Meike. Türkise Sauberkeit, keine Algen und Steine. Gute zweihundert Meter entfernt erhob sich eine makellose Sandbank aus dem Meer, die sanft wieder ins tiefe Wasser abfiel. Ein Traum. So kam es ihr vor. Ein absolut surrealer Moment, in dem man auf eine Sache starrt und sich immer wieder klar machen muss, dass dies die Wirklichkeit ist.
»Und? Wie findet ihr das? Mein Geheimtipp!« Vincent stützte sich souverän auf die Reling, als ob die Sandbank und das Meer um sie herum sein Eigentum wären. »Das ist sozusagen mein kleiner Privatstrand. Es gibt nichts Exklusiveres.«
Till und Konrad rafften sich von ihrem bequemen Platz an Deck auf, um auch einen Blick auf die angekündigte kleine Luxusinsel zu werfen. Und Vince hatte recht. Dieses Fleckchen Meer war der Hammer und die weiße, bestimmt fünfzig Schritt lange Sandbank schrie förmlich nach Party, knappen Bikinis und warmem Salzwasser. Auf ihrer Fahrt hierher waren sie an mehreren kleinen Inseln und Atollen vorbeigekommen. Es gab auch Sandbänke ohne Pflanzenbewuchs, aber diese hier war etwas Besonderes. Meike konnte das Ufer höchstens noch erahnen. Die Sandbank lag einsam und perfekt eingebettet im Blau des Pazifiks.
Doreen trat hinter Konrad und legte ihm ihre braun gebrannten Arme um den Hals. Die beiden waren schon seit dem Gymnasium ein Paar und Meike wunderte sich, dass Doreen ihn noch nicht betrogen hatte. Vielleicht ließ sie sich immer noch von seinem guten Elternhaus beeindrucken und spekulierte auf eine spätere Hochzeit und damit auf ein sorgloses Leben. Optisch konnte man sich mit Doreen sehen lassen, auch wenn sie keine klassische Schönheit war, und das Blond ihrer Haare immer mehr gefärbt als natürlich wirkte. Auch das tat sie für Konrad, dessen Spitzname mal Blondie-Konny gewesen war, da man ihn nur mit Blondinen am Arm beobachtete. Doreen hatte nicht lange gefackelt und ihn schließlich dazu gebracht, mit ihr auszugehen. Sie konnte die Beziehung bis heute erhalten und Meike war sich sicher, dass sie dafür einige Anstrengungen auf sich nahm.
Till und sie selbst hatten sich nach der Schulzeit aus den Augen verloren, aber dann neu gefunden, als sie die Uni wechselte und sie dieselben Seminare belegten.
Durch ihre Beziehung mit Till kam sie mit Doreen in Kontakt. Früher hatten sie nie viel miteinander gesprochen. Doreen gehörte in der Schule zu der Gruppe, die man halb neidisch, halb bewundernd die Elite-Clique nannte. Wäre Meike damals schon mit Till ausgegangen, hätte man sie wohl geduldet und als Anhängsel auf Partys mitgenommen.
Schon merkwürdig, dachte Meike. Und heute sind wir alle zusammen auf diesem schicken Boot und fahren bei einem super Wetter über das türkise Meer. Der gemeinsame Urlaub war Tills Idee gewesen, wobei Konny und Doreen sofort gegen einen Nordsee-Trip ihr Veto eingelegt hatten. Für die beiden mussten es mindestens die Malediven sein. Anfangs hatte sie sich noch darüber aufgeregt, aber jetzt, da sie hier war, freute Meike sich, dass die beiden so zickig reagiert hatten.
»So, näher kommen wir nicht ran. Den Rest müsst ihr schwimmen!«, sagte Vincent.
»Kein Problem!«, sagte Konrad. »Wenn du erlaubst, Baby ...« Er löste sich aus Doreens Umarmung und stieg mit nackten Füßen auf die Reling.
»Pass bloß auf, Konny!« Doreen sah besorgt zu ihm auf, als er auf dem schmalen Geländer balancierte. Konrad holte Schwung und stieß sich ab. Er schlug einen halbwegs passablen Salto und landete platschend im Wasser. Kurz darauf kam er wieder an die Oberfläche und schüttelte sich das nasse Haar aus dem Gesicht.
»Geil«, kommentierte er selbst seine Aktion. »Los, kommt rein ihr Pfeifen!«
»Dann hau mal ab da!«, sagte Till und nahm Anlauf. Er hechtete mit einem Kopfsprung über die Reling ins Wasser.
Typisch Mann, dachte Meike. Der eine musste dem anderen stets beweisen, dass er es auch drauf hatte. Vincent sah ihnen grinsend zu und Meike konnte ihr Glück nicht fassen, dass sie ihn in einer Cocktailbar kennengelernt hatten. Er war alleine hier, ohne Anhang, und schien Kontakte knüpfen zu wollen. Anfangs waren Doreen und Konny nicht begeistert über seine Bekanntschaft, was sich schlagartig änderte, als er die ganze Gruppe wenige Tage später auf seine Yacht zum Abendessen einlud. Doreen verschlug es die Sprache, was Meike sich eigentlich im Kalender ankreuzen wollte und die
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