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Die Tuchhaendlerin von Koeln

Die Tuchhaendlerin von Koeln

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kuhlbach-Fricke
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verärgert.
    »Er hat unseren Glauben verraten!« Samuel regte sich nun so auf, daß ihm prompt die Luft wegblieb. Rasch tätschelte
ich ihm die Hand, denn ich hatte Angst, er könne einen neuen Anfall bekommen, und ließ ihn reden.
    »Du mußt wissen, als Junge kannte ich deinen Großvater gut, und das von klein auf. Ich bin nämlich in Köln geboren. Damals hieß dein Großvater noch Constantin und war der Sohn des jüdischen Händlers Alexander. Unsere Familien waren entfernt miteinander verwandt und befreundet, wir wurden vom selben Rabbi unterrichtet. Mein Vater unternahm gerade eine Handelsreise nach Spanien, als das Entsetzliche geschah. Obwohl ich eigentlich noch ein paar Jahre zu jung war, wollte er mich unbedingt mitnehmen. Meine Mutter tobte und wollte es nicht zulassen, es hätte mir ja ein Unheil auf der weiten Reise widerfahren können! Aber Vater setzte seinen Willen durch. Wir waren monatelang fort. In ganz Europa redete man nur über den Kreuzzug, auf dem die Christen ihr Heiliges Grab in Jerusalem aus den Händen der Heiden befreien wollten. Vater dachte, das ginge uns wenig an. Aber dann hörten wir auf dem Rückweg das schreckliche Gerücht, es seien viele Juden im Rheinland erschlagen worden. In großer Sorge hetzten wir nach Norden. Als wir in Köln ankamen, war es bereits für jede Hilfe zu spät. Wilde Horden hatten zwei Wochen zuvor die Stadt überfallen und alle Juden getötet, die sie finden konnten. Ich habe meine Mutter nie wiedergesehen, und meine vier jüngeren Geschwister auch nicht - sie müssen unter den Ermordeten gewesen sein. Die Christen hatten sie alle schon begraben, es waren hunderte. Mein Vater stand mit mir auf dem jüdischen Friedhof. Er war schlagartig ein alter Mann geworden und stützte sich schwer auf mich. Seine Augen irrten umher; wir hatten ja nicht einmal ein Grab, an dem wir unsere Liebsten hätten betrauern können.«

    Samuel schwieg. Seine Augen waren trüb. Ich wartete eine Weile. Als er nichts mehr sagte, bemerkte ich: »Was für ein
trauriges Schicksal. Ich verstehe, daß dies entsetzlich für dich war. Aber mein Großvater ist ja selbst bei diesem Morden nur ganz knapp mit dem Leben davon gekommen und hat beide Eltern verloren, und du hattest immerhin noch deinen Vater. Dir ging es also besser als ihm. Ich begreife daher nicht, was du ihm eigentlich vorwirfst.«
    Samuel wackelte eigensinnig mit dem Kopf. »Unser Haus war zerstört, die Familie tot, nichts hielt uns mehr in Köln. Mein Vater zog darum mit mir hierher nach Dortmund und fing von vorne an. Darum erfuhren wir auch erst viel später, daß Constantin überlebt hatte - und sich in einer christlichen Familie aufhielt. Und daß er dort auch bleiben wollte und sich weigerte, zu uns Juden zurückzukehren!« Samuel schnaubte empört.
    »Er war ein Kind, Samuel, ein neunjähriges Kind!« sagte ich eindringlich. »Er war allein und völlig verstört. Er wäre zugrunde gegangen, wenn ihn nicht seine Mutter Blithildis voller Liebe in ihre schützenden Arme genommen hätte.«
    »Seine Mutter hieß Rachel, sie war Jüdin, und sie war tot!« rief Samuel wild.
    »Eben. Sie war tot«, sagte ich leise.
    Aber Samuel war nicht zu überzeugen. »Das war ja noch nicht alles«, sagte er unbeugsam. »Er war nicht mehr klein und hilflos, als er sich von Wolbero und Blithildis adoptieren ließ. Als er sich taufen ließ, war er alt genug, um auch ohne die beiden auf eigenen Füßen zu stehen. Weißt du eigentlich, daß diese Mordbanden meine jüdischen Mitbrüder mit dem Tod bedroht haben und ihnen Schonung versprachen, falls sie sich taufen ließen? Ich habe erfahren, daß viele Väter ihre Frauen und Kinder getötet haben und sich dann selber das Leben nahmen, um nicht zur Taufe gezwungen zu werden. Unser Glaube geht uns über alles.«
    Seine Erzählung ging mir sehr zu Herzen.. Ich stellte mir die Todesangst der Menschen vor und ihre Gewissensnot,
die sie dazu trieb, lieber ihre Angehörigen umzubringen, als die Taufe über sich ergehen zu lassen. Ich hatte auch gehört, daß manche Juden sich aus lauter Angst doch taufen ließen und hinterher dann Klage führten, da dies nur unter äußerstem Zwang geschehen sei. Die Antwort der Christen war: Eine Taufe sei nie mehr abwaschbar, ganz gleich unter welchen Umständen sie zustande gekommen sei.
    Insgeheim dachte ich, daß ich selbst niemals das Messer gegen einen Angehörigen gehoben hätte und daß ein wenig Taufwasser so schlimm nicht sein könne. Schließlich ertrinkt

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