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Die Tuchhaendlerin von Koeln

Die Tuchhaendlerin von Koeln

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kuhlbach-Fricke
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dich bloß zusammen!«
    Ich holte tief Luft, trat einen Schritt zurück und wagte einen Blick auf meinen Angreifer: ein vierschrötig aussehender Kerl mit einem wilden Bart. Sein aufgerissener Mund ließ mehrere Zahnlücken sehen, die Augen waren geschlossen, und ein Blutrinnsal rieselte über sein Gesicht.
    »Er ist tot«, sagte ich erschrocken.
    »Glaube ich nicht«, meinte Herr Gottschalk ungerührt. »Ich habe ihm nur mit einem Ast auf den Kopf geschlagen. Er wird bald wieder zu sich kommen.« Und flink kniete er nieder, zog dem Räuber den Strick aus, den er statt eines Gürtels trug, und band damit seine Hände ganz fest hinter dem Rücken zusammen. Dann schüttete er ihm eine Ladung Schnee ins Gesicht, um ihn aufzuwecken, zerrte ihn hoch und befahl ihm, uns voraus zum Lager zu gehen. Ohne den Strick rutschte dem Räuber seine Hose beim Laufen herunter und schlenkerte ihm um die Knöchel. Ich wandte meinen Blick schamhaft von seinem behaarten Hinterteil ab.
    Als wir mit unserem Gefangenen bei den Wagen ankamen, gab es eine große Aufregung, und Constantin verdoppelte sofort die Wachen für das Lager und schickte außerdem ein paar Männer in den Wald auf die Suche nach weiteren Räubern. Der Gefangene wurde fest verschnürt, geknebelt und auf einem Wagen abgelegt. Er sollte in Minden dem Gericht übergeben werden.
    Aber nachdem Constantin alle Vorsichtsmaßnahmen in die Wege geleitet hatte, kam, was kommen mußte. Er wandte sich mir zu und sagte streng: »Und nun zu dir. Wie kam es, daß der Mann dich überfallen konnte?«
    Leise und mit niedergeschlagenen Augen berichtete ich von Herrn Gottschalks berechtigtem Tadel und was dann geschehen war. Constantin schwieg eine Weile, und eine strenge Falte zeichnete sich zwischen seinen Augenbrauen
ab. Dann sagte er ruhig: »Wenn du noch ein einziges Mal gegen die Regeln verstößt, Sophia, dann war das die letzte Reise, die du mit mir unternehmen durftest.«
    Ich nickte reumütig und beschämt und wandte mich zum Gehen. Ich war schon ein, zwei Schritte von ihm entfernt, da hörte ich, wie er, scheinbar zu sich selbst, sagte: »Aber wenn das nicht geschieht - bis jetzt hat sie sich ja fabelhaft gehalten, und ich nähme sie gern wieder mit.«
    Da wurde mir leichter zumute. Ich drehte mich noch mal nach ihm um und bot an, eine Nachtwache zu übernehmen, weil doch jetzt mehr Leute dafür gebraucht wurden. Aber Constantin sagte nur: »Du ißt jetzt noch rasch einen Teller Suppe - heiß wird sie wohl nicht mehr sein -, und dann ab mit dir in den Wagen. Und bis morgen früh will ich dann nicht einmal deine Nasenspitze sehen.«
    Ich hielt es für ratsam, mich gehorsam und gefügig zu zeigen, aß rasch ein wenig und schlüpfte dann in mein Nest. Ich war die einzige, die in dieser Nacht zum Schlafen kam; die Männer hielten unermüdlich Wache, und wenn sie sich, von der Müdigkeit übermannt, für eine kurze Zeit niederlegten, dann blieben sie gerüstet und behielten das Schwert neben sich - wo ein Räuber war, konnten auch viele sein. Aber wenn dem so gewesen sein sollte, dann wagten sie in dieser Nacht keinen Überfall.

    Zum Glück träumte ich nicht von dem Räuber, wohl aber von dem Kuß des Herrn Gottschalk.
    Aber lieber hätte ich mir die Zunge abgebissen, als dies irgend jemandem zu erzählen.

    Am nächsten Tag erreichten wir um die Mittagszeit die Westfälische Pforte und zogen bald darauf in Minden ein. Der Handelshof war hoffnungslos überfüllt, wie nicht anders zu
erwarten, aber Constantin hatte Plätze für uns vorbestellt. Ich bekam einen winzigen Winkel auf dem Dachboden bei den Mägden und war gerade dabei, mir ein Lager auf einem Strohsack zu richten, als Constantins Kopf in der Luke auftauchte. »Du brauchst gar nicht erst auszupacken, Sophia«, sagte er. »Komm schnell wieder herunter!« Ich kletterte die Leiter hinab und folgte Constantin in den Saal des Handelshofs. Dort stand ein Mann, der die Farben der Königin Alienor trug, wie ich sofort erkannte. Er nahm die Kappe ab und verbeugte sich höflich.
    »Mein Name ist John, Fräulein Sophia. Ihre Hoheit, Prinzessin Mathilde von England, bittet Euch zu sich. Ihr sollt als ihr Gast bei ihr wohnen«, verkündete er.
    »Ist Prinzessin Mathilde denn schon hier?« fragte ich verwirrt.
    »Sie wird heute eintreffen und bis zur Heirat im Mauritius-Kloster weilen«, erklärte der Bote.
    Ich wandte mich mit fragendem Blick an Constantin.
    »Nun, Sophia, dann muß ich dich wohl aus meinem Schutz entlassen«, sagte

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