Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
Vom Netzwerk:
vor.«
    »Mistress Alice ist tot«, sagte ich tonlos. Manche Wunden waren zu schmerzhaft, als dass ich sie verschweigen konnte. »Sie wurde auf der Straße nach Stratford von Räubern überfallen. Wenn sie irgendetwas über meine Eltern wusste, hat sie das mit ins Grab genommen.«
    Cecil senkte die Augen. »Es tut mir leid, das zu hören. Jeder Mensch sollte wissen, woher er kommt.« Unvermittelt beugte er sich näher zu mir. »Ihr dürft Euch davon nicht entmutigen lassen. In unserem neuen England können es selbst Findelkinder weit bringen. Das Schicksal lächelt oft den am wenigsten Begünstigten.«
    Er wich zurück. »Es war mir ein Vergnügen, Junker Prescott. Bitte zögert nicht, Euch an mich zu wenden, solltet Ihr irgendetwas benötigen. Ich bin leicht zu finden.«
    Einmal mehr schenkte er mir dieses rätselhafte Lächeln, dann drehte er sich um und schritt davon.

3
    Ich blickte Master Cecil nach, während er sich entlang der Galerie entfernte, dann holte ich tief Luft und wandte mich zur Tür. Ich klopfte. Keine Antwort. Ich pochte noch einmal und drückte versuchsweise die Klinke. Die Tür ging auf.
    Ich trat ein und erkannte, dass die Gemächer – wie Cecil sie bezeichnet hatte – aus einer einfachen Schlafkammer bestanden, die zum größten Teil von einem Bett mit durchhängendem Baldachin ausgefüllt wurde. Zerkratzte Täfelungen schmückten die untere Hälfte der Wände, und das kleine Fenster war mit grünlichen Rauten verglast. Ein brennender Kerzenstumpf schwamm in Öl in einer Schale auf dem Tisch. Strohmatten lagen über den Boden verteilt, großzügig garniert mit ganzen Haufen besudelter Kleidung, dazwischen achtlos hingeworfenes Besteck und benutztes Geschirr. Der Geruch war ekelerregend, eine Mischung aus ranzigen Essensresten und Schmutzwäsche.
    Ich ließ meine Satteltasche an der Türschwelle fallen. Manche Dinge änderten sich offenbar nie. Selbst am Hof hausten die jungen Dudleys noch wie im Schweinestall.
    Aus dem Bett dröhnte ein Schnarchen. Vorsichtig trat ich näher. Unter meinen Sohlen knirschten Knochen, die sich in den Strohmatten festgetreten hatten. Einer Lache von Erbrochenem ausweichend, zog ich den Vorhang beiseite. Die Ringe klirrten an der Stange. Ich sprang zurück, halb darauf gefasst, die ganze Dudley-Sippe johlend und die Fäuste schwingend über mich herfallen zu sehen, genau wie in meiner Kindheit.
    Stattdessen lag nur eine einzige Gestalt mit ausgebreiteten Gliedern auf dem Bett, Hose und Hemd zerknittert, das verfilzte Haar von der gleichen Farbe wie verschmutztes Getreide, dazu die unverkennbare Ausdünstung von billigem Bier. Guilford, das Nesthäkchen der Meute, ganze siebzehn Jahre alt und in trunkener Betäubung niedergestreckt.
    Ich kniff in seine über den Bettrand baumelnde Hand. Als dies nur ein weiteres röchelndes Schnarchen hervorrief, rüttelte ich ihn an der Schulter.
    Er ruderte mit den Armen und hob sein verquollenes Gesicht, in das sich die Kissenfalten geprägt hatten. »Hol dich der Teufel«, lallte er.
    »Euch ebenfalls einen guten Abend, Mylord Guilford«, erwiderte ich. Zur Sicherheit trat ich noch einen Schritt zurück. Obwohl er der jüngste der fünf Dudley-Sprösslinge war, gegen den ich öfter gesiegt als verloren hatte, wollte ich in meiner ersten Stunde am Hof nicht gleich eine Tracht Prügel riskieren.
    Er glotzte mich an, während sein benebeltes Hirn mein Gesicht zu identifizieren suchte. Als ihm das gelang, lachte Guilford hämisch. »Ach, der elternlose Bastard. Was machst du denn …« Plötzlich würgte er, beugte sich vor und spie auf den Boden. Stöhnend fiel er aufs Bett zurück. »Ich hasse sie. Das wird sie mir büßen, die elende Hexe.«
    »Hat sie Euch das Bier vergällt?«, fragte ich unschuldig.
    Er funkelte mich an und hievte sich mühsam aus dem Bett. Groß und kräftig wie alle Dudleys, hätte er mich sicher wie ein wütendes Raubtier angefallen, wäre er nicht so besoffen gewesen. Instinktiv tastete ich nach meinem Dolch. Nicht dass ich es hätte wagen dürfen blankzuziehen. Ein Gemeiner musste mit der Todesstrafe rechnen, wenn er einen Adeligen auch nur mit Worten bedrohte. Doch das Gefühl des abgewetzten Griffs zwischen meinen Fingern wirkte beruhigend.
    »Ja, vergällt hat sie es mir.« Guilford schwankte. »Bloß weil sie mit dem König verwandt ist, bildet sie sich ein, sie kann mich von oben herab behandeln. Aber ich werde ihr schon zeigen, wer hier der Herr und Meister ist. Sobald wir verheiratet sind,

Weitere Kostenlose Bücher