Die Türen seines Gesichts
wieder normal. „Die wollen Sie heute nachmittag empfangen. Nehmen Sie sich nach dem Mittagessen einen von den Jeepsters und fahren Sie hinüber.“
„In Ordnung“, sagte ich.
„Das wäre dann alles.“
Ich nickte, stand auf. Ich hatte die Hand schon am Türknopf, als er noch sagte:
„Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, wie wichtig das ist. Behandeln Sie die drüben nicht so, wie Sie uns behandeln.“
Ich schloß die Tür hinter mir.
Ich weiß nicht, was ich zu Mittag aß. Ich war nervös, dabei wußte ich instinktiv, daß alles glatt über die Bühne gehen würde. Mein Verlag in Boston erwartete ein Marsidyll oder zumindest eine Art Saint-Exupery-Buch über den Raumflug, und die „National Science Association“ wollte einen kompletten Bericht über Aufstieg und Fall des marsianischen Reiches.
Beide würden zufrieden sein. Das wußte ich.
Hierin lag auch der Grund, weshalb alle so eifersüchtig auf mich sind, weshalb sie mich hassen. Ich schaffe es immer, und ich komme besser durch als alle anderen.
Ich legte den Löffel zur Seite und ging zu unserer Garage. Ich nahm mir einen Jeepster und fuhr in Richtung Tirellian.
Stürme von eisenoxidhaltigem Sand hüllten meinen Brummer ein und ließen ihn in Flammen stehen. Sie prasselten auf das Cabrio-Verdeck und arbeiteten sich sogar durch den Stoff; dann fingen sie an, meine Schutzbrille zu zerkratzen.
Der Jeepster schwankte und stöhnte wie ein kleiner Esel, auf dem ich einmal durch den Himalaja geritten war. Mein Hinterteil wurde arg strapaziert. Die Tirellian-Berge ächzten und kamen ganz verdreht auf mich zu.
Plötzlich ging es bergauf, und ich schaltete, um dem Motor einen Gefallen zu tun. Nicht wie die Gobi, nicht wie die große Südwestwüste, sinnierte ich. Bloß rot, bloß tot … Sogar ohne einen Kaktus.
Ich erreichte den höchsten Punkt des Berges, aber ich hatte zu viel Staub aufgewirbelt, um zu sehen, was vor mir lag. War ja auch gleichgültig; schließlich habe ich die meisten Landkarten im Kopf. Ich schwenkte nach links bergab und nahm den Fuß etwas vom Gas. Seitenwind und fester Boden ließen die Flammen ersterben. Ich kam mir vor wie Odysseus in Malebolge – mit einem Hexameter-Gesang in der Hand auf Dante wartend.
Ich umrundete eine Felspagode und war da.
Betty winkte, als ich anhielt und aus dem Wagen sprang.
„Hallo“, hustete ich, wickelte mich aus meinem Tuch und schüttelte zwei Pfund Sand heraus. „Wo geht’s denn jetzt lang, und wen werden meine Äuglein sehen?“
Sie gestattete sich ein kurzes Kichern, wohl eher, weil ich ‚Wo geht’s denn lang’ gesagt hatte als wegen des Sandes, der mich so plagte. Dann fing sie zu reden an. (Sie ist Sprachkundlerin, eine der besten, die es gibt, und ein gelegentlicher Slangausdruck macht ihr mächtigen Spaß!)
Ich mag die Art und Weise, wie sie redet, präzis, eindeutig, aber nicht geschraubt. Mir standen jetzt genug Höflichkeitsfloskeln bevor; sie würden bis ans Ende meines Lebens reichen. Ich sah ihre schokoladebraunen Augen, ihre perfekten Zähne, ihr von der Sonne gebleichtes Haar, das kurzgeschoren war und am Kopf wie eine Kappe anlag (ich mag Blondinen nicht!), und kam zu der Feststellung, daß sie in mich verliebt war.
„Mr. Gallinger, die Matriarchin wartet drinnen und will vorgestellt werden. Sie hat sich einverstanden erklärt, Ihnen die Tempelakten zu zeigen, damit Sie sie studieren können.“ Sie hielt inne, schob sich – völlig unnötig – das Haar zurecht und senkte die Augen. Ob mein Blick sie nervös machte?
„Es handelt sich um religiöse Dokumente und gleichzeitig um das einzige Geschichtswerk, das es hier gibt“, fuhr sie fort, „man kann es mit dem Mahabharata vergleichen. Sie erwartet, daß Sie ein gewisses Ritual befolgen, wenn Sie sie berühren. Das heißt, Sie müssen die geheiligten Worte wiederholen, wenn Sie umblättern. Sie wird es Ihnen genau erklären.“
Ich nickte schnell.
„Schön, gehen wir ’rein.“
„Äh“, sie hielt inne. „Vergessen Sie nicht die elf Regeln der Höflichkeit und des Ranges. Man nimmt hier Formsachen sehr ernst. Und lassen Sie sich ja nicht auf irgendeine Diskussion über die Gleichheit der Geschlechter ein.“
„Ich kenne ihre Tabus alle“, unterbrach ich sie. „Keine Sorge. Ich habe im Orient gelebt. Erinnern Sie sich?“
Sie senkte den Blick und griff nach meiner Hand. Ich riß sie ihr beinahe weg.
„Es wird besser aussehen, wenn ich Sie beim Hineingehen führe.“
Ich schluckte meinen
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