Die Türen seines Gesichts
Einwand hinunter und folgte ihr, wie einst Samson in Gaza.
Als ich drinnen war, fiel mir mein letzter Gedanke wieder ein. Die Wohnung der Matriarchin kam mir wie eine Abstraktion der israelischen Zelte vor. Eine Abstraktion, denn die Wände bestanden aus mit Fresken bemalten Ziegeln und trafen sich über mir in einer Spitze. Graublaue Tierhäute, die so aussahen, als hätte man sie mit dem Messer eingekerbt, schmückten den Raum.
Die Matriarchin M’Cwyie war klein, weißhaarig, um die fünfzig und angezogen wie eine Zigeunerkönigin. In ihren voluminösen Röcken, die in allen Farben des Regenbogens schillerten, sah sie wie eine umgestülpte Punschbowle aus, die man auf ein Kissen gesetzt hatte.
Nachdem sie meine Verbeugungen zur Kenntnis genommen hatte, sah sie mich an, als ob eine Eule ein Kaninchen anstarrte. Die Lider ihrer schwarzen Augen hoben sich, als ihr mein perfekter Akzent auffiel. Betty hatte schließlich bei ihren Gesprächen nicht umsonst ein Tonbandgerät mitgehabt, und außerdem kannte ich die Sprachberichte von den beiden ersten Expeditionen, und zwar aufs Wort. Mich schlägt so leicht keiner, wenn es darauf ankommt, mir einen perfekten Akzent anzueignen.
„Sie sind der Dichter?“
„Ja“, antwortete ich.
„Rezitieren Sie mir eines Ihrer Gedichte, bitte.“
„Es tut mir leid. Aber um gleichzeitig Ihrer Sprache und meiner Dichtung gerecht zu werden, wäre eine gründliche Übersetzung erforderlich, und dazu beherrsche ich Ihre Sprache noch nicht genug.“
„Oh?“
„Aber ich habe zu meinem eigenen Vergnügen solche Übersetzungen gemacht, als Grammatikübung“, fuhr ich fort. „Es wäre mir eine Ehre, einige davon mitzubringen, wenn ich wieder hierherkomme.“
„Ja. Tun Sie das.“
Eins zu null für mich.
Sie wandte sich Betty zu.
„Sie können jetzt gehen.“
Betty murmelte die beim Abschied gebräuchlichen Höflichkeitsformeln, warf mir einen seltsamen Blick von der Seite zu und war verschwunden. Offenbar hatte sie damit gerechnet, hierbleiben und mir „helfen“ zu können. Sie wollte einen Teil des Ruhmes, so wie alle anderen. Aber in diesem Troja war ich Schliemann. Und auf dem Bericht für die Association würde nur ein Name stehen!
M’Cwyie stand auf, und ich bemerkte, daß sie dabei nur unwesentlich an Größe gewann. Aber ich bin auch ein Meter zweiundneunzig lang und sehe aus wie eine Pappel im Oktober, dünn, oben grellrot, und blicke auf alle anderen hinunter.
„Unsere Aufzeichnungen sind sehr alt“, begann sie. „Betty sagt, Ihr Wort für ihr Alter ist ‚Jahrtausende’.“
Ich nickte zustimmend.
„Ich bin sehr daran interessiert, sie zu sehen.“
„Sie sind nicht hier. Wir werden in den Tempel gehen müssen, man darf sie nicht daraus entfernen.“
Plötzlich wurde ich vorsichtig.
„Sie haben doch nichts dagegen einzuwenden, wenn ich sie abschreibe, oder?“
„Nein. Ich kann erkennen, daß Sie sie respektieren, sonst wäre Ihr Wunsch nicht so groß.“
„Ausgezeichnet.“
Sie schien amüsiert. Ich fragte sie, was sie so komisch fände.
„Die hohe Sprache ist vielleicht für einen Ausländer gar nicht so leicht zu lernen.“
Ich begriff sofort.
Keiner aus der ersten Expedition war so weit vorgestoßen. Ich hatte also nicht wissen können, daß es hier in Wirklichkeit um zwei Sprachen ging – eine klassische und eine vulgäre. Ich kannte etwas von ihrem Prakrit, und jetzt mußte ich noch ihr ganzes Sanskrit lernen.
„Verdammt noch mal!“
„Wie bitte?“
„Das kann man nicht übersetzen, M’Cwyie. Aber stellen Sie sich vor, Sie müßten ganz schnell die Hochsprache lernen; dann können Sie sich vielleicht auch vorstellen, was ich jetzt empfinde.“
Wieder schien sie amüsiert und sagte, ich solle meine Schuhe ausziehen.
Sie führte mich durch einen Alkoven …
… in eine Orgie byzantinischer Glorie!
Kein Erdenmensch hatte diesen Raum bisher betreten, sonst hätte ich davon gehört. Carter, der Sprachforscher der ersten Expedition, hatte mit Hilfe einer gewissen Mary Allen die ganze Grammatik und das Vokabular gelernt, das ich kannte, und war die ganze Zeit im Schneidersitz im Vorraum gesessen.
Wir hatten keine Ahnung gehabt, daß das hier existierte. Gierig ließ ich meinen Blick umherschweifen. Dem Schmuck lag ein aufs feinste ausgeklügeltes ästhetisches System zugrunde. Wir würden unsere ganze Meinung über die marsianische Kunst revidieren müssen.
Die Decke zum Beispiel war gewölbt, an den Seiten standen Säulen
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