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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Bad wäre jetzt schön gewesen. Wir begnügten uns mit etwas Ultraschall.
     
    Gegen Mittag des nächsten Tages waren wir alle in der Wand, miteinander durch das Seil verbunden, preßten uns an den kalten Stein und bewegten uns langsam, schmerzhaft langsam, ohne viel nach unten zu sehen.
    Als der Tag zu Ende war, hatten wir es bis zu einer Stelle geschafft, wo wir uns immerhin festhalten und etwas – zugegeben, nicht sehr viel – unter unseren Füßen spüren konnten. Die Wand neigte sich freilich ein wenig, und so zogen wir es vor, den Weg nur bei vollem Tageslicht in Angriff zu nehmen. Also kehrten wir wieder zu der Spalte zurück.
    Am Morgen stiegen wir weiter.
    Der Weg fuhr fort, sich schräg in die Höhe zu schlängeln. Wir arbeiteten uns in westlicher Richtung nach oben, legten etwa eine Meile zurück und schafften dabei etwa fünfhundert Fuß Höhenunterschied. Dann eine weitere Meile, bei der wir vielleicht dreihundert Fuß schafften.
    Dann kam, etwa vierzig Fuß über uns, ein Sims.
    Stan stieg nach oben, es war ziemlich hart, und er mußte die Pistole benutzen – um zu sehen, was er sehen konnte.
    Er winkte uns, und wir folgten ihm, und der Anblick, der sich uns bot, war gut.
    Genau darunter, unregelmäßig, aber breit genug, war der Platz für unser neues Lager.
    Der Weg darüber war ein Zuckerschlecken: Eiscreme und Whisky Sour und Morgenkaffee und eine Zigarette nach dem Abendessen. Einfach herrlich und köstlich: ein siebzig-Grad-Hang, voll von Vorsprüngen und Simsen und guter, sauberer Stein.
    „Verdammt gut!“ sagte Kelly.
    Wir waren alle seiner Ansicht.
    Wir aßen und tranken und beschlossen, uns an diesem Nachmittag Ruhe zu gönnen.
    Wir waren jetzt in der Welt des Zwielichts, gingen, wo vor uns noch kein Mensch gegangen war, und fühlten uns goldig. Es war gut, sich auszustrecken und zu versuchen, den schmerzenden Gliedern Linderung zu verschaffen.
    Ich verschlief den Tag, und als ich erwachte, war der Himmel ein Bett glühender Kohlen. Ich lag da, zu träge, um mich zu bewegen, zu angefüllt von dem Bild, das sich mir bot, um wieder schlafen zu wollen. Ein Meteor zog seine blau-weiße Bahn über den Himmel. Nach einer Weile kam ein anderer. Ich dachte darüber nach, wo ich gerade war, und entschied, daß der Platz die Mühe wert war. Das kalte, harte Glück der Höhen erfüllte mich. Ich bewegte die Zehen.
    Nach ein paar Minuten streckte ich mich und setzte mich auf. Ich blickte auf die schlafenden Gestalten meiner Gefährten. Dann blickte ich hinaus in die Nacht, so weit ich sehen konnte. Und dann den Berg hinauf. Ich ließ den Blick langsam über den Weg wandern, der uns morgen bevorstand.
    In den Schatten bewegte sich etwas.
    Etwas stand etwa fünfzig Fuß von mir und zehn Fuß über mir.
    Ich griff nach meinem Pickel und stand auf.
    Ich ging die fünfzig Fuß und starrte in die Höhe.
    Sie lächelte, brannte nicht.
    Eine Frau, eine unmögliche Frau.
    Absolut unmöglich. Zum einen mußte sie einfach in ihrem Minirock und dem ärmellosen Oberteil zu Tode erfrieren. Es gab keine andere Möglichkeit. Zum anderen hatte sie sehr wenig zu atmen. Gar nichts, genaugenommen.
    Aber es schien ihr nichts auszumachen. Sie winkte. Ihr Haar war dunkel und lang, und ich konnte ihre Augen nicht sehen. Ihre blassen, hohen Wangen, die breite Stirn und das kleine Kinn entsprachen auf beunruhigende Weise gewissen einfachen Theorien, die die Geometrie meines Herzens darstellen. Wenn alle Winkel, Rächen und Kurven richtig sind, setzt es einen Schlag aus und beeilt sich dann, ihn einzuholen.
     
    Ich horchte in mich hinein, spürte, daß mein Herz so reagierte, und sagte: „Hallo“.
    „Hallo, Whitey“, erwiderte sie.
    „Komm herunter“, sagte ich.
    „Nein, komm du herauf.“
    Ich schwang meinen Pickel. Als ich den Sims erreichte, war sie nicht da. Ich sah mich um, dann entdeckte ich sie.
    Sie saß auf einem Felsen, zwölf Fuß über mir.
    „Wie kommt es, daß du meinen Namen kennst?“ fragte ich.
    „Jeder kann doch sehen, wie du heißen mußt.“
    „Also gut“, gab ich nach. „Und der deine?“
    „… … .“ Ihre Lippen schienen sich zu bewegen, aber ich hörte nichts.
    „Bitte?“
    „Ich will keinen Namen“, sagte sie.
    „Na schön. Dann werde ich dich ‚Mädchen’ nennen.“
    Sie lachte, eine Art Lachen.
    „Was tust du hier?“ fragte ich.
    „Ich beobachte dich.“
    „Warum?“
    „Um zu sehen, ob du fällst.“
    „Die Mühe kannst du dir sparen“, sagte ich. „Das werde ich

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