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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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mitbekommen. Ein zufriedener Ausdruck lag auf ihrem Gesicht.
    Kurz vor Sonnenaufgang setzte leichter Schneefall ein, und als Katoen die Gravenstraat aufsuchte, ließ ein heftiger Wind die Flocken ordentlich tanzen. Es war ein heiterer Anblick, der so gar nicht zu dem passen wollte, was er am Ort des Unglücks sah.
    Von Joan Blaeus prächtiger Werkstatt, durch die der Kartenmacher Katoen einige Monate zuvor voller Stolz geführt hatte, war nichts geblieben als ein Haufen verkohlter, rauchender, stinkender Trümmer. Was verbrennen konnte, war verbrannt, und der Rest, Druckerpresse und Druckplatten, war in der höllischen Hitze geschmolzen. Damit stand zweifelsfrei fest, daß auch Guillaume de Vaillys Aufzeichnungen und die darauf basierende Seekarte vernichtet waren.
    Noch immer war ein Brandmeister vor Ort, und eine bemannte Feuerspritze stand bereit für den Fall, daß das Feuer, durch eine unbemerkte Glut oder durch Funkenflug weitergetragen, in einem der Nachbarhäuser erneut auflodern sollte. So schwer hing der Brandgeruch in der Luft, daß Katoen den schaurigen Ort schnell wieder verließ und seine Schritte zum Rathaus lenkte. Trotz der Kälte standen allenthalben Menschen vor ihren Häusern und ereiferten sich über den Brand der vergangenen Nacht.
    Im Keller des Rathauses führte der Profos, nachdem Katoen ihm das Schreiben des Amtsrichters gezeigt hatte, ihn zu Annas Zelle und schloß sie auf. Anna saß aufrecht auf ihrer schmalen Holzpritsche, auf den Knien eine Schale mit Brei und einen Brotkanten, aber sie aß nicht.
    Als sie Katoen sah, sagte sie: »Es tut mir leid, Jeremias. Ich hätte dir das alles gern erspart, aber ich konnte nicht anders. Verstehst du das?«
    »Ich verstehe es, aber ich billige es nicht«, antwortete er und hielt ihr den wollenen Umhang hin, den er ihr mitgebracht hatte. »Zieh das an, es ist kalt draußen, und es schneit.«
    »Draußen? Was soll ich draußen?«
    »Zieh das an«, wiederholte Katoen. »Und dann komm mit!«
    Verwirrt stand sie auf und ließ sich den Umhang umlegen, der mit einer Kapuze versehen war. Katoen zog sie mit sich, so daß sie gar nicht dazu kam, ihm Fragen zu stellten. Sie traten ins Freie, und er führte sie in Richtung Damrak.
    »Wohin gehen wir?« fragte Anna, die sich das alles noch immer nicht erklären konnte.
    »Wir gehen spazieren. Nach der muffigen Luft im Geißelkeller wird dir das guttun.«
    »Spazieren? Und dann?«
    »Das wird sich finden.« Bislang hatte er sie kaum angesehen, aber jetzt wandte er sich ihr zu und fragte: »Wie konntest du das nur tun, Anna? Du hast so viele Leben in Gefahr gebracht!«
    »Wie gesagt, ich konnte nicht anders. Erst jetzt hat mein Vater Julien de Montfor wirklich Ruhe gefunden. Ich fühle es.«
    »Dabei konntest du nicht einmal davon ausgehen, daß die Karte und das Manuskript wirklich in der Gravenstraat lagen. Blaeu hätte sie auch in seiner alten Werkstatt in der Bloemgracht oder sonstwo aufbewahren können.«
    »Aber sie waren dort!« sagte sie.
    Sie gingen am Damrak entlang zum IJ, und Anna fing eine der Schneeflocken ein, die alles lustig umtanzten und gleichgültig waren gegenüber den Sorgen der Menschen. Ein paar Sekunden lang blieb die Flocke auf ihrer Handfläche liegen, dann war sie geschmolzen.
    »Fort«, sagte Anna, »wie unsere Zukunft. Verfluch mich dafür, Jeremias, aber glaub mir, daß es mir unendlich leid tut!«
    »Ich glaube dir, sonst wäre ich nicht hier.«
    »Ja, ein schöner Spaziergang, mein letzter wahrscheinlich.«
    »Das will ich nicht hoffen.«
    »Seit wann erhalten Gefangene, die auf ihr Todesurteil warten, die Gelegenheit zu Spaziergängen?«
    »Es wird kein Todesurteil geben. Es wird überhaupt kein Urteil geben.«
    Anna blieb stehen und schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein! Du hast Joan Blaeu doch gehört!«
    »Ich habe die ganze Nacht mit Joan Blaeu und Philipp Schuiten gesprochen. Es war nicht leicht, aber am Ende haben sie eingewilligt, dich freizulassen und auf eine Anklage zu verzichten. Offiziell wird die Ursache des Feuers ungeklärt bleiben.«
    »Aber die Nachtwächter haben mich erwischt!«
    »Ein wenig Geld wird sie zum Schweigen bringen. Ich habe etwas gespart, und Schuiten gibt noch was dazu.«
    Eine ganze Weile war Anna sprachlos und sah ihn nur an. »Woher der Sinneswandel?« fragte sie endlich.
    »Ich habe den beiden klargemacht, daß ich, sollte es zu einem Verfahren gegen dich kommen, öffentlich darlegen müßte, was dich zu deiner Tat getrieben hat. Damit

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