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Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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Schrei eines Adlers, »daß du den Nachtwald Perelín geschaffen hast und die Farbenwüste Goab. Wir wissen, daß du vom Feuer des Bunten Todes gegessen und getrunken und darin gebadet hast, was niemand sonst in Phantasien lebend bestanden hätte. Wir wissen, daß du den Tempel der Tausend Türen durchwandert hast, und wir wissen, was in der Silberstadt Amargánth geschah. Wir wissen, Herr, daß du alles vermagst. Wenn du ein Wort sprichst, so ist da, was du willst. Darum laden wir dich ein, zu uns zu kommen und uns der Gnade einer eigenen Geschichte teilhaftig werden zu lassen. Denn wir alle haben noch keine.« Bastian überlegte, dann schüttelte er den Kopf. »Was ihr von mir erwartet, kann ich jetzt noch nicht tun. Später werde ich euch allen helfen. Aber zuerst muß ich die Kindliche Kaiserin treffen. Darum helft mir, den Elfenbeinturm zu finden!«
    Die Wesen schienen keineswegs enttäuscht. Nach kurzer Beratung untereinander, erklärten sie sich alle höchst erfreut über Bastians Vorschlag, ihn zu begleiten. Und kurze Zeit später hatte sich der Zug, der nun schon einer kleinen Karawane glich, in Bewegung gesetzt. Den ganzen Tag über stießen neue Ankömmlinge zu ihnen. Nicht nurdie am Vortage von Atréju angekündigten Sendboten tauchten von allen Seiten auf, sondern noch viel mehr. Man sah bocksbeinige Faune und riesige Nachtalben, Elfen und Kobolde, Käferreiter und Dreibeiner, einen menschengroßen Hahn in Stulpenstiefeln und einen aufrechtgehenden Hirsch mit goldenem Geweih, der eine Art Frack trug. Überhaupt gab es unter den Neuankömmlingen eine Menge Wesen, die keine Ähnlichkeit mit menschlichen Gestalten hatten. Da waren zum Beispiel kupferne Ameisen mit Helmen, bizarr geformte Wanderfelsen, Flötentiere, die auf ihren langen Schnäbeln musizierten, und auch drei sogenannte Pfützler, die sich auf recht erstaunliche Art fortbewegten, indem sie -wenn man so sagen kann - bei jedem Schritt zu einer Pfütze zerflossen und ihre Gestalt ein Stück weiter wieder neu zusammenzogen. Das merkwürdigste der neuangekommenen Wesen war jedoch vielleicht ein Zwie, dessen Vorder-und Hinterteil unabhängig voneinander herumlaufen konnte. Er hatte entfernte Ähnlichkeit mit einem Nilpferd, nur daß er rot und weiß gestreift war. Insgesamt waren es inzwischen schon an die hundert. Und alle waren gekommen, um Bastian, den Retter Phantásiens, zu begrüßen und ihn um eine eigene Geschichte zu bitten. Aber die ersten sieben hatten den neu Hinzugekommenen erklärt, daß die Reise zuerst zum Elfenbeinturm gehe, und alle waren bereit, mitzuziehen.
    Hýkrion, Hýsbald und Hýdorn ritten mit Bastian an der Spitze des nunmehr schon ziemlich langen Zuges.
    Gegen Abend erreichten sie den Wasserfall. Und bei Einbruch der Nacht hatte der Zug die höher gelegene Ebene verlassen, war einen geschlängelten Bergpfad abwärts gezogen und befand sich nun in einem Wald aus baumgroßen Orchideen. Es waren gefleckte und ein wenig beunruhigend aussehende Riesenblüten. Deshalb wurde beschlossen, für alle Fälle Wachen über Nacht aufzustellen, als man das Lager aufschlug.
    Bastian und Atréju hatten Moos, das überall reichlich wuchs, zusammengetragen und sich daraus ein weiches Eager gemacht. Fuchur legte sich in einem Ring um die beiden Freunde herum, den Kopf nach innen, so daß sie für sich und geschützt waren wie in einer großen Strandburg. Die Luft war warm und von einem eigentümlichen Duft erfüllt, der den Orchideen entströmte und nicht sehr angenehm war. Es lag etwas in ihm, das Unheil verkündete.



Tautropfen funkelten an den Blüten und Blättern der Orchideen in der ersten Morgensonne, als die Karawane sich erneut in Bewegung setzte. In der Nacht hatte es keine Zwischenfälle gegeben, außer daß abermals neue Abgesandte zu den bisherigen hinzugekommen waren, so daß die ganze Schar nun schon an die dreihundert ausmachte. Es war wahrhaftig ein sehenswertes Schauspiel, den Zug dieser so verschiedenartigen Wesen zu beobachten. Je weiter sie in den Orchideenwald eindrangen, desto unglaublichere Formen und Farben nahmen die Blüten an. Und bald stellten die Herren Hýkrion, Hýsbald und Hýdorn fest, daß der beunruhigende Eindruck, der sie dazu veranlaßt hatte, Wachen aufzustellen, nicht ganz unbegründet gewesen war. Viele dieser Gewächse waren nämlich fleischfressende Pflanzen, groß genug, ein ganzes Kalb zu verschlingen. Zwar bewegten sie sich nicht von sich aus insofern waren die Wachen unnötig gewesen - aber

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