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Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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wenn man sie berührte, schnappten sie zu wie Schlageisen. Und ein paarmal mußten die Herren von ihren Schwertern Gebrauch machen, um den Arm oder Fuß eines Reisegenossen oder seines Reittiers zu befreien, indem sie die ganze Blüte abhieben und in Stücke schnitten.
    Bastian, der auf Jicha ritt, war ständig dicht umdrängt von allen möglichen phantasischen Wesen, die sich ihm bemerkbar zu machen versuchten oder wenigstens einen Blick auf ihn werfen wollten. Aber Bastian ritt schweigend und mit verschlossenem Gesicht. Ein neuer Wunsch war in ihm erwacht, und zum ersten Mal war es einer, der ihn unnahbar und sogar düster erscheinen ließ.
    Was ihn an Atréjus und Fuchurs Verhalten am meisten verdroß, trotz der Versöhnung, war die unbezweifelbare Tatsache, daß sie ihn wie ein unselbständiges Kind behandelten, für das sie sich verantwortlich fühlten und das sie gängeln und anleiten mußten. Wenn er es sich recht überlegte, dann war es schon vom ersten Tag ihres Zusammenseins an so gewesen. Wie kamen sie eigentlich dazu? Offenbar fühlten sie sich ihm aus irgendeinem Grund überlegen auch wenn sie es dabei gut mit ihm meinten. Ohne Zweifel hielten Atréju und Fuchur ihn für einen harmlosen, schutzbedürftigen Jungen. Und das paßte ihm nicht, nein, das paßte ihm ganz und gar nicht! Er war nicht harmlos! Das sollten sie noch sehen! Er wollte gefährlich sein, gefährlich und gefürchtet! Einer, vor dem jeder sich in acht nehmen mußte - auch Fuchur und Atréju.Der blaue Dschinn - er hieß übrigens Illuán - bahnte sich einen Weg durch das Gedränge rings um Bastian und verneigte sich mit auf der Brust überkreuzten Armen. Bastian hielt an.
    »Was gibt es, Illuán? Rede!«
    »Herr«, sagte der Dschinn mit seiner Adlerstimme, »ich habe mich unter unseren neu hinzugekommenen Weggenossen etwas umgehört. Einige von ihnen behaupten, diese Gegend zu kennen und zu wissen, worauf wir uns zubewegen. Sie alle schlottern vor Angst, Herr.« »Weshalb? Was ist es für eine Gegend?«
    »Dieser Wald aus fleischfressenden Orchideen, Herr, heißt der Garten Oglais und gehört zum Zauberschloß Hórok, das auch die Sehende Hand genannt wird. Dort wohnt die mächtigste und schlimmste Magierin Phantásiens. Ihr Name ist Xayíde.«
    »Es ist gut«, antwortete Bastian, »sage den Ängstlichen, daß sie sich beruhigen sollen. Ich bin bei ihnen.«
    Illuán verneigte sich abermals und entfernte sich.
    Ein wenig später landeten Fuchur und Atréju, die weit vorausgeflogen waren, neben Bastian. Der Heerzug machte gerade Mittagsrast.
    »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll«, begann Atréju. »Drei bis vier Wegstunden voraus haben wir mitten im Orchideenwald ein Bauwerk gesehen, das wie eine große Hand aussieht, die aus dem Boden ragt. Es macht einen ziemlich unheimlichen Eindruck. Wenn wir die bisherige Richtung beibehalten, laufen wir genau darauf zu.«
    Bastian berichtete, was er inzwischen durch Illuán wußte.
    »In diesem Fall«, meinte Atréju, »wäre es vernünftiger, die Richtung zu ändern, meinst du nicht?«
    »Nein«, sagte Bastian.
    »Aber es gibt keinen Grund, der uns zwingt, mit Xayíde zusammenzutreffen. Es wäre besser, wir vermeiden die Begegnung.«
    »Es gibt einen Grund«, sagte Bastian.
    »Welchen?«
    »Weil ich es möchte«, sagte Bastian.
    Atréju schwieg und schaute ihn groß an. Da sich wieder von allen Seiten Phantásier herandrängten, um einen Blick von Bastian zu erhaschen, setzten sie das Gespräch nicht fort. Aber nach dem Mittagsmahl kam Atréju zurück und schlug Bastian in scheinbar unbekümmertem Ton vor:
    »Hättest du nicht Lust, mit mir zusammen auf Fuchur zu fliegen?«
    Bastian verstand, daß Atréju etwas auf dem Herzen hatte. Sie schwangen sich auf den Rücken des Glücksdrachen, Atréju vorne, Bastian hinter ihm, und stiegen in die Luft empor. Es war das erste Mal, daß sie gemeinsam flogen.
    Kaum waren sie außer Hörweite, als Atréju sagte:
    »Es ist jetzt schwer, dich allein zu sprechen. Aber wir müssen unbedingt miteinander reden, Bastian.«
    »Das hab’ ich mir gedacht«, antwortete Bastian lächelnd. »Was gibt’s denn?« »Wohin wir da geraten sind«, begann Atréju zögernd, »und worauf wir uns da zubewegen hängt das mit einem neuen Wunsch von dir zusammen?«
    »Vermutlich«, erwiderte Bastian ein wenig kühl.
    »Ja«, fuhr Atréju fort, »das haben wir uns schon gedacht, Fuchur und ich. Was für ein Wunsch mag das wohl sein?«
    Bastian schwieg.
    »Versteh mich nicht

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