Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
keine einzige Silbe verpassen. Dieser Junge war sehr weise für sein Alter.
»Tja«, brummte Alistair, der sich überlegte, was er als Nächstes tun sollte. »Meinst du, es ist in Ordnung, wenn wir ihn für den Rest das Tages da oben lassen?«
Melanie las weiter, bis sie ans Ende eines langen Absatzes kam, dann nahm sie ihr Buchzeichen, platzierte es ordentlich zwischen Seite hundertvier und hundertfünf und legte den Roman auf das Kissen neben Eleanor. Nun schaute sie ihrem Vater direkt in die Augen. »Du fragst mich, ob es in Ordnung ist, wenn unsere Mutter Barnaby den ganzen Tag da oben an der Wohnzimmerdecke lässt?«, fragte sie kühl.
»Ja, genau.« Alistair konnte ihren Blick nicht erwidern.
»Barnaby«, sagte sie noch einmal, »Barnaby ist erst ein paar Tage alt. Und du willst wirklich wissen, ob ich es okay finde, ihn einfach da oben zu lassen.«
Es folgte eine lange Pause.
»Dein Tonfall gefällt mir nicht«, sagte Alistair schließlich leise und beschämt.
»Die Antwort auf deine Frage lautet: nein. Nein, ich finde es nicht in Ordnung, ihn da oben zu lassen.«
»Also gut«, sagte Alistair und kletterte auf einen Stuhl, um den Jungen zu holen. »Das hättest du auch gleich sagen können.«
In dem Moment klingelte es an der Tür. Es war der Nachbar, Mr Cody, der den Schlüssel für seinen Lieferwagen zurückhaben wollte, und weil ihm nicht gleich jemand öffnete, marschierte er einfach ins Haus, ohne lang zu fackeln. Alistair legte Barnaby in seinen Korb, vergaß aber, die Gurte anzulegen, und schon schwebte der kleine Junge wieder nach oben zur Decke, wo er sich bequem an die Matratze schmiegte.
Mr Cody war schon lange auf der Welt, hatte in zwei Weltkriegen gekämpft, Roald Dahl die Hand geschüttelt und im Verlauf von sieben Jahrzehnten auch sonst viele ungewöhnliche Dinge erlebt, von denen er manche verstanden hatte und andere nicht. Er schaute nach oben, legte den Kopf schief, strich sich mit der Hand übers Kinn und leckte mit der Zunge langsam über seine Lippen, erst über die Oberlippe, dann über die Unterlippe. Schließlich schüttelte er den Kopf und sagte zu Eleanor: »Das ist doch nicht normal, das da!«
Sofort brach Eleanor in Tränen aus, rannte die Treppe hoch und warf sich aufs Bett, fest entschlossen, die Augen geschlossen zu halten, weil sie auf keinen Fall die monströse dritte Matratze über ihr sehen wollte.
Kapitel 3
Barnaby, der Drachen
Vier Jahre vergingen, und nichts änderte sich. Barnabys Familie musste wohl oder übel akzeptieren, dass das Schweben keine Phase war. Ihr drittes Kind war und blieb so. Alistair und Eleanor gingen mit ihm zu einem Arzt in der Nähe, der ihn gründlich untersuchte und dann vorschlug, sie sollten ihm zwei Tabletten geben und am nächsten Morgen wiederkommen, aber dadurch wurde nichts besser. Also besuchten sie mit ihrem Sohn einen auswärtigen Spezialisten, der ihm einen Zyklus Antibiotika verschrieb, doch Barnaby schwebte immer weiter, war allerdings immun gegen die schlimme Grippe, die in dieser Woche in Kirribilli umging. Schließlich fuhren sie mit ihm ins Zentrum von Sydney, weil sie einen Termin bei einem berühmten Facharzt hatten. Doch der Facharzt schüttelte nur den Kopf und sagte, der Junge werde mit der Zeit schon daraus herauswachsen.
»Letzten Endes wachsen die Jungen irgendwann aus allem heraus«, fügte er hinzu und schob ihnen lächelnd eine fette Rechnung für die magere Untersuchung hin. »Sie wachsen aus ihren Hosen heraus. Aus ihren guten Manieren. Aus ihrer Bereitschaft, die Autorität der Eltern zu respektieren. Man braucht nur Geduld, mehr nicht.«
All das half Alistair und Eleanor nicht weiter, im Gegenteil, sie wurden immer frustrierter.
Barnaby schlief nun im unteren Teil des Etagenbetts in Henrys Zimmer. An der Unterseite von Henrys Bett waren mehrere Wolldecken angebracht, damit er nicht mit dem Kopf gegen die Spiralfedern stieß.
»Es ist schön, dass wir unsere Decke wieder sehen können, stimmt’s?«, sagte Alistair, als er endlich die Matratze im Elternschlafzimmer entfernt hatte. Eleanor nickte, sagte aber nichts. »Sie muss frisch gestrichen werden«, fuhr er fort, um die Lücke zu füllen, die durch Eleanors Schweigen entstand. »Da, wo die Matratze war, ist ein großes gelbes Rechteck. Sogar das Blumenmuster hat Spuren hinterlassen.«
Es gab immer wieder schwierige Situationen, zum Beispiel, wenn Barnaby Bad und Toilette benutzte, aber vielleicht ist es ein bisschen indiskret, ausführlich
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