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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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die Räume hinter den Fenstern, und wir sahen, dass sich hoch oben auf dem Dach weitere Wölfe regten, als wir uns dem Eingang näherten.
    Der Leitwolf des sterbenden Rudels bellte eine Botschaft in die Nacht.
    Mehrere raue Kehlen antworteten ihm.
    »Sehen Sie«, keuchte das Mädchen.
    Das Portal öffnete sich, und herausgestürmt kamen weitere Werwölfe, einige davon noch in der Verwandlung begriffen. Gesichter formten sich zu Schnauzen, Beine wurden zu Läufen. Einige seltsame Gestalten hatten sich unter sie gemischt. Fremdländisch aussehend mit spitzen Ohren und hellerem Fell.
    »Er hat sie also mitgebracht«, sagte ich. »Vermutlich führen sie die Wolfsrudel an.«
    Die Wesen mit dem hellen Fell stürmten an uns vorbei in Richtung des kämpfenden Wolfsrudels. Ganz schmale Augen hatten sie, wie das Mädchen bemerkte. Geschlitzt, sodass sie listig und verschlagen wirkten.
    »Wer sind diese Wesen?«
    Emily fand, dass sie elegant und weniger primitiv aussahen als die Werwölfe, denen sie bisher begegnet war. Feingliedriger, doch nicht minder gefährlich. Zudem war ihr aufgefallen, dass David der Werwolf unterwürfig den massigen Kopf gesenkt hatte, als die Wesen an uns vorbeigelaufen waren.
    »Schakale«, antwortete ich.
    Grünlich glühende Augen besaßen die Wesen, die sich nun über den Golem hermachten.
    »Lykanthropen?«
    »Ja.« Ich zerrte Emily weiter hinter mir her, damit wir den sicheren Eingang erreichten. »Eine lykanthropische Spezies aus dem Nildelta. Die Schakale des Seth. Eine Kriegerkaste, die nur den Göttern dient.«
    Emily warf einen Blick zurück.
    Das Schneegestöber versperrte ein wenig die Sicht auf das Kampfgetümmel.
    »Gegen den Golem scheinen sie aber auch nicht viel ausrichten zu können«, meinte sie.
    Was auch mich zurückblicken ließ.
    Und … in der Tat!
    Selbst die Schakale des Seth wurden von dem Mann aus Lehm durch die Luft geschleudert, als seien sie nur Fliegengewichte. Dabei berichteten Legenden von ganzen Reichen, die unter dem Ansturm der Schakale zu Staub zerfallen waren.
    Nun denn.
    Keuchend erreichten wir die Royal Albert Hall.
    »Hinein!«, forderte ich Emily auf.
    Eine Gestalt mit dem Kopf eines Raubvogels empfing uns an der Tür. Sie trug ein dunkles, eng anliegendes Kostüm, das unzweifelhaft erkennen ließ, dass es sich um eine Frau handelte.
    »Seine Lordschaft erwartet Sie bereits«, sagte die Frau, und ihr Schnabel klapperte.
    »Wer ist das?«, fragte Emily leise.
    »Ein Horusmensch«, gab ich zur Antwort und korrigierte mich: »Genau genommen eine Horusfrau«, erklärte ich dem Mädchen. Mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte ich schon einmal außer in staubigen Büchern mit einem Wesen dieser uralten Gattung Kontakt gehabt. Die Mythen kündeten von ihnen, doch hätte ich niemals darauf gehofft, einer solchen Kreatur begegnen zu dürfen.
    Unruhig blickte die Horusfrau über unsere Schultern zu den Wölfen. »Er ist hartnäckig, dieser Golem.«
    Ich stimmte ihr zu. »Tja!«
    »Die Apep wird sich seiner annehmen«, sagte die Horusfrau, und schrill wie bei einem Raubvogel eilte ihr Schrei in die Nacht hinaus. Augenblicklich ließen sowohl Werwölfe als auch Schakale vom Golem ab und verteilten sich in alle Richtungen, ohne die Lehmkreatur jedoch unbeobachtet zu lassen.
    »Wer ist das?«, flüsterte Emily.
    Deutete auf die Gestalt, die jetzt mit zusammengekniffenen Augen in das Schneegestöber starrte.
    »Die Apep«, sagte die Horusfrau, »ist wach!«
    Zwischen der Royal Albert Hall und dem Golem warf etwas den Schnee zu einem großen Haufen auf. Etwas kroch unter dem kalten Weiß auf den Golem zu. Die tumbe Lehmkreatur bemerkte die Bewegungen nicht, sondern stakste unbeirrt auf uns zu, die kräftigen Arme nach vorne ausgestreckt, wie eines der Monster in den B-Movies der Fünfzigerjahre, die Emily gemeinsam mit Aurora in einer Nachmittagsvorstellung am Leicester Square gesehen hatte.
    Dann geschah alles sehr schnell.
    Die Apep schnellte aus den Schneeverwehungen hervor und fiel über den Golem her.
    »Eine Schlange!«, entfuhr es Emily.
    Ja, die Apep war eine Schlange. Eine Schlange, die einst mächtig gewesen war und Oberägypten beherrscht hatte, bis sie von den Göttern Seth und Horus besiegt und in Knechtschaft gezwungen worden war. Jetzt diente sie seit Jahrhunderten den Gottheiten, die sie einst so bitter bekämpft hatte. Und die Götter, die ihrer Heimat schon vor so langer Zeit den Rücken zugekehrt hatten, waren nach London gekommen, wo die

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