Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
Golems hier auftauchen würde.«
    »Einer?«
    »Einer von vielen«, gab er zur Antwort.
    War dies die Bestätigung unserer ärgsten Befürchtung?
    »Wie meint Ihr das?«, setzte ich zu fragen an.
    Doch Anubis hatte sich bedeckt gehalten: »Master Lycidas wird Euch das, was Ihr wissen müsst, erklären.«
    Punktum.
    »Das Licht von St. Paul’s ist erloschen«, sagte ich ihm.
    »Ich habe es bemerkt.« Die Tatsache schien ihn nicht sonderlich zu beeindrucken.
    Emily fiel auf, dass kleine Käfer über den Boden krabbelten.
    »Meine Späher«, erklärte der Totengott und deutete auf die wuselnden Skarabäen, »berichteten mir davon. Und davon, dass es einen Golem danach gelüstete, Euch zur Strecke zu bringen.«
    Die Skarabäen kletterten an Emilys Hosenbein empor, und angeekelt schlug sie nach den umherkrabbelnden Insekten.
    »Fügen Sie ihnen kein Leid zu«, herrschte Anubis das Kind an.
    »Ich mag sie aber nicht!«, entgegnete Emily zickig.
    »Sie sind nur neugierig.«
    Die Käfer ließen mit einem Mal von meiner Schutzbefohlenen ab.
    Höflich bedankte sich Emily.
    Und auch ich dankte Seiner Lordschaft. Für die Unterstützung, die er uns durch die Werwölfe hatte zuteil werden lassen. »Mit einem Golem hatten wir nicht gerechnet.«
    »Deswegen die Wölfe«, stellte der Lordkanzler trocken fest.
    Das Gespräch kam nur sehr stockend zustande.
    »Werdet Ihr uns helfen können?«, fragte ich.
    »Ich habe es Mylady Lilith versprochen.«
    Nun denn.
    Als wir inmitten des prächtigen Konzertsaals standen, musste Emily feststellen, dass sie sich diesen Ort anders vorgestellt hatte. Die Grundform der Royal Albert Hall ist oval, und am Kopfende befindet sich der Orchesterbereich. An die ebenerdige Arena schließt sich ringsum ein ansteigend gebautes Parkett an, und darüber liegen zwei Etagen mit Logen, über denen sich der Circle erstreckt, ein weiterer Rang mit ansteigenden Plätzen, die nicht für Besucher geeignet sind, die unter Höhenangst leiden. Unterhalb der Decke mit ihren tellerförmigen Lampen befindet sich die Galerie: Stehplätze, die während der Vorstellungen ausverkauft sind und bei unserem Eintreffen verwaist waren.
    Damals, als ich gemeinsam mit Maurice Micklewhite hierher gekommen war, hatten sich die Vertreter der Handelsgilden erhitzte Diskussionen mit dem Lordkanzler geliefert, und die Ränge waren mit unzähligen Werwölfen besetzt gewesen.
    »Wir gehen in die Grabkammer der Royal Albert Hall«, sagte Anubis, und bevor ihn einer von uns beiden hätte fragen können, was er damit meinte, war er schon vorangeeilt. »Zeit sollten wir keine verlieren.« Er lächelte spöttisch, wobei er eine Reihe scharfer Zähne entblößte. »Sagt man nicht, dass die Zeit das Feuer sei, in dem die Menschen verbrennen?«
    »Sagt man das?«
    Mit schnellen Schritten durchquerten wir die Arena, wo die Stühle rote Samtbezüge hatten und aussahen, als würden sie nach Mottenkugeln riechen. Bevor wir die Bühne erreichten, stieg der Lordkanzler in den Orchestergraben hinab, wo es düster und kühl war und nach Holz roch. Die Instrumente standen verlassen da wie die Relikte einer anderen Ära. Streicher, Bläser und einige E-Gitarren. Pauken. Außerdem Instrumente, deren Formen und Farben so skurril fremdartig wirkten, dass Emily sich nicht auch nur annähernd vorstellen konnte, wie man darauf zu musizieren vermochte.
    Anubis, der den neugierigen Blick des Mädchens bemerkt hatte, erklärte: »Die Assuanflöten werden von den Horusmenschen gespielt. Seit langer Zeit schon. Die Beduinen des Sinai kennen Geschichten, die vom Klang dieser Instrumente künden. Doch sind diese Legenden, wie überhaupt fast alles, längst vergessen.«
    Durch eine Falltür im Boden, die sich inmitten der Bassgitarren befand, begaben wir uns in die Untiefen der Royal Albert Hall. Dorthin, wo wir nur unter Führung des Lordkanzlers würden vordringen können. Der hoch gewachsene Gott ging voran und achtete nicht darauf, ob wir Schritt halten konnten. »Sagen Sie mir, kleines Mädchen«, fragte er schließlich, als wir den senkrechten Tunnel, der sich hinter der Falltür aufgetan hatte, hinabstiegen, »sagen Sie mir, warum Sie Ihre Freundin getötet haben!«
    »Seien Sie ehrlich«, riet ich Emily, »er wird sich nur mit der Wahrheit zufrieden geben.«
    Also sagte sie: »Aus Eifersucht.«
    Und schwieg.
    Selbst darüber erstaunt, wie leicht ihr dieses Bekenntnis über die Lippen kam; war es letzten Endes doch die Wahrheit. Steerforth, der mit ihrer Schwester

Weitere Kostenlose Bücher