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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Stelle, an der Anguana untergetaucht war.
    Das Boot war ein Witz. Ein grob ausgehöhlter Baumstamm ohne Segel und Steuer. Die Musikerinnen glitten neben diesem schwimmenden Sarg anmutig durch das Wasser, hübsche Insulanerinnen, die so selbstverständlich schwammen wie Tobbs an Land rennen konnte. Nur der Rochenmann hatte seine Unterwassergestalt angenommen und schubste das Boot unsanft vor sich her. Tobbs war längst übel von dem Geschaukel. Sein Durst gaukelte ihm bereits vor, Regentropfen auf dem Gesicht zu spüren. Und er war wütend, unglaublich wütend auf Maui. Am allermeisten sorgte er sich aber um Anguana. Er war so beschäftigt damit, über den hinteren Bootsrand nach ihr Ausschau zu halten, dass der Ruck, der das Boot plötzlich anhalten ließ, ihn völlig überraschte. Sein Boot war gegen eine Wand aus Korallenblöcken gestoßen.
    Menschen mussten diese Insel mitten im Meer geschaffen haben, denn die Blöcke aus Riffkorallen waren sorgfältig aufeinandergeschichtet worden. Ganz am Ende der Insel wuchs ein einzelner knorriger Baum. Irgendwann musste sich ein Samenkorn in einem Korallenblock verfangen haben, daraus entstanden war der karge Baum, dessen Wurzeln sich um den Korallenboden schlossen wie eine riesige Hand, die die Insel packen und weit in den Himmel schleudern wollte. Ein gruseliger Anblick.
    »Aussteigen«, forderte eine seiner Begleiterinnen ihn unfreundlich auf. Und auch der Griff, mit dem sie Tobbs aus dem Boot zerrte, war alles andere als sanft.
    Tobbs stolperte über den scharfkantigen Untergrund und flüchtete sich in den Baumschatten. Die Musikerin band eine hölzerne Wasserflasche von ihrem Taillengurt los und warf sie ihm hin.
    »Geh sparsam damit um«, riet sie ihm. Dann drehte sie sich mit einer anmutigen Bewegung um und sprang ins Wasser.
    Tobbs blinzelte ungläubig. Aber es war kein Irrtum. Mit dem Begreifen kam der eisige Schreck. Sie würden ihn ganz allein auf der Insel zurücklassen!
    Der Rochenmann drehte das Boot und eine Musikerin kletterte in das Gefährt. Sosehr Tobbs auch brüllte und sie verfluchte – keiner sah sich nach ihm um.
    Erst als er schon fast heiser war, ließ er sich erschöpft gegen den Baum fallen. Die Fesseln schnitten tief in seine Handgelenke. Hektisch machte er sich daran, die Seile aus scharfkantigen Sternblattfasern an einer der Korallen durchzuscheuern. Damit hatten die Insulaner offenbar gerechnet, sonst hätten sie ihm kaum die Wasserflasche dagelassen. Wie lange er wohl auf dieser Gefängnisinsel bleiben sollte? Er blickte sich um und entdeckte weitere dieser winzigen Inseln, leider viel zu weit entfernt. Nun, wegschwimmen konnte er ohnehin nicht, das wussten Mauis Leute nur zu gut. Er saß in der Falle.
    Mit einem Seufzer ließ er sich im Baumschatten nieder und zog die Wasserflasche zu sich heran. Er war gescheitert. Vielleicht versenkte Mako genau in diesem Augenblick die Truhe an einem unbekannten Ort im Meer. Er hatte hoch gepokert – und verloren. Aber das Schlimmste war, dass er Anguana in diese Geschichte hineingezogen hatte!
    Niedergeschlagen legte er den Kopf auf die Knie und schloss die Augen. Er sehnte sich nach Dopoulos’ Hand, die ihm über das Haar strich, sehnte sich nach der Sicherheit der Taverne, sogar nach Neki. Und er betete zu den guten Göttern aller Länder, dass Dopoulos nach Tajumeer kam und wenigstens Anguana rettete.
    Sein eigenes Stöhnen weckte ihn aus einem kurzen Erschöpfungsdämmer. Auf der Stelle war er hellwach und registrierte alles mit größter Klarheit: Der Baumschatten war nur ein kleines Stück weitergewandert, die Stille war bedrückend – und das Stöhnen war immer noch da. Allerdings kam es nicht aus seinem Mund.
    »Wer da?«, flüsterte er. »Mako? Maui? Wanja?«
    Das Stöhnen brach abrupt ab. Tobbs’ Herz begann schneller zu schlagen. Er sprang auf die Beine und sah sich nach einer Waffe um, fand aber nur ein abgebrochenes Stück Koralle. Nun, zumindest war es scharfkantig genug, um ein gutes Wurfgeschoss abzugeben. Vorsichtig umrundete er die kleine Insel.
    Kleine Wellen schlugen gegen die Korallenbänke. Unter dem Baum hatte sich eine Höhlung gebildet und gab der Insel auf dieser Seite die Kontur eines Pilzes. Tobbs beugte sich weit nach vorne und spähte hinter den Baum.
    Da war ein Fuß.
    Ein sehr menschlicher Fuß, auch wenn er reichlich ramponiert aussah. Schürfwunden bedeckten Knöchel und Rist. Wellen schwappten über das kaum getrocknete Blut. Eine Einladung zum Mittagessen an die

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