Die verbotene Pforte
Tier.
Dopoulos verbeugte sich tief vor einem Ritter, der eine Schlange in der rechten Hand hielt. Plötzlich verformte sich das Reptil, bekam Beine und Arme und wurde zu einer schuppenhäutigen Dame.
Der mürrische Dopoulos verwandelte sich auch – und zwar in einen gut gelaunten, lächelnden Gastgeber.
Mehr und mehr Gäste strömten in den Raum – längst hätte es in der Taverne viel zu eng sein müssen, aber mit jedem Gast schien der Saal sich weiter auszudehnen.
»He, schläfst du?«
Ein Junge, der Tobbs nicht mal bis zur Schulter reichte, grinste ihn an. Hellblonde Locken umrahmten ein sanftes Gesicht. Nur die grünen Augen ohne Pupillen erinnerten daran, dass der Junge ganz bestimmt kein Engel war.
»Nein, sehe ich so aus, als ob ich im Stehen schlafe?«, gab Tobbs zurück.
Der Junge kicherte. »Woher soll ich wissen, wie du schläfst? Agasch kann sogar schlafen, wenn sie kopfüber von einem Baum herunterhängt.«
»Wer ist Agasch?«
»Na, die Braut – meine Schwester!« Mit einer anmutigen Geste deutete der Junge auf die Schlangenbraut, die eben in ihrem mit Disteln geschmückten Sessel Platz nahm, und fügte geheimnisvoll hinzu: »Sie bringt Krankheiten und hat den bösen Blick, die Gebirgsleute nennen sie das lebendige Verderben. Außerdem frisst sie Kinder.«
»Aha«, erwiderte Tobbs. Er hoffte, der Junge würde nicht bemerken, wie seine Knie weich wurden. »Nette Verwandtschaft hast du.«
Das engelsgleiche Dämonenkind nickte. »Der Bräutigam heißt Alastor. Er ist der Henker der höllischen Monarchien. Und der Mann dahinten, der eben noch ein Hund war, ist mein Onkel Jestan. Er verursacht Hungersnöte und Kriege … Du siehst komisch aus.«
»Was?«
»Na, deine Haare. Sind das deine oder hast du mit einem schwarzen Pferd getauscht? Und deine Augen sind auch so komisch, sie sehen aus, als ob …«
»He, jetzt reicht es!«, unterbrach ihn Tobbs. Dann fiel ihm nichts mehr ein – was sollte er auch erwidern? Dass die Haare des kleinen Dämons auch komisch aussahen? Das wäre eine glatte Lüge gewesen. Sie waren perfekt, wie alles an ihm.
»Sei doch nicht gleich beleidigt«, meinte der Junge versöhnlich. »Ist ja keine Schande, hässlich zu sein.«
Tobbs blieb die Luft weg. »Das bin ich ganz bestimmt nicht!«
Der Dämon zog zweifelnd eine Braue hoch. »Natürlich nicht«, sagte er mit einem schelmischen Lächeln. »’tschuldigung. Wusste ja nicht, dass du so empfindlich bist.«
Tobbs kämpfte gegen den Drang an, dieser kleinen Pest ordentlich die Meinung zu sagen. Aber das ging auf keinen Fall. Der Junge gehörte schließlich zu den Gästen.
»Und wie heißt du?«, fragte er.
Der Junge verzog den Mund und streckte sich. »Sid.«
»Sid?«
»Ja, wieso bist du so erstaunt?«
»Na ja, das ist ein etwas … schlichter Name für einen Dämon.«
»Ja, nicht wahr?«, meinte Sid bedauernd. »Wir bekommen unseren richtigen Namen erst, wenn wir erwachsen sind. Aber trotzdem hätte sich mein Vater einen imposanteren Namen ausdenken können. ›Mordon‹ vielleicht oder ›Kobran‹. Wie heißt du denn?«
»Tobbs.«
Sid prustete los und verlor dabei fast das Gleichgewicht. Tränen schossen ihm in die Augen, während er vor Lachen wieherte. »Also dann heiße ich doch lieber Sid«, japste er, sobald er wieder Luft bekam.
Tobbs schloss für einen sehr besonnenen Moment die Augen und stellte sich vor, wie er Sid am Kragen packte und ihn mit dem Kopf in die Schüssel mit Marindensirup tauchte.
»Ach wirklich?«, fragte er dann so ruhig wie möglich. »Was ist denn so schrecklich lustig an meinem Namen?«
Sid hielt sich glucksend die Seite. »Tobbs – das ist doch ein Witzname! Das klingt … nach hüpfenden Flöhen. Wie ›Tobbs Hopps‹ oder ›Tiddy Tassenfresser‹ oder ›Tabbie Trötenmaul‹ …«
»He!«, rief Tobbs. »Jetzt reicht es! Halt die Klappe, ja?« Einige der Dämonen verstummten und warfen ihm einen drohenden Blick zu. Sids Onkel hatte offenbar vergessen, dass er seine menschliche Gestalt angenommen hatte, und knurrte mit gefletschten Zähnen.
»Na, Angst bekommen?« Sid grinste und wischte sich die Lachtränen von den Wangen.
»Ganz bestimmt nicht«, gab Tobbs mit rotem Kopf und sehr viel leiserer Stimme zurück. Am liebsten hätte er den Festsaal verlassen.
Die Dämonen hatten inzwischen alle Platz genommen. Die Dorfmädchen huschten von Tisch zu Tisch und schenkten aus großen Krügen den Willkommenstrunk ein. Irgendwo in der Ecke stimmten drei Dämonen
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