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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Im Rennen zog er seinen Mantel aus und schleuderte ihn seiner Verfolgerin ins Gesicht. Tatsächlich war sie für einen Augenblick blind und taumelte durch die Luft. Zeit genug für Tobbs, den zweiten Beutel vom Gürtel zu lösen und ihn ebenfalls von sich zu werfen. Nun wurde es schwierig, auch wenn sein Körper sich angenehm leicht anfühlte. Keine hastigen Bewegungen mehr, sonst würde er gefährlich ins Trudeln geraten! Die Schwarmfrau riss mit Klauen und Zähnen an seinem Mantel. Dann warf sie plötzlich den Kopf zurück und verschlang das ganze Bündel mit einem Happs. Ihr Kiefer war ausgehängt wie bei einer Schlange.
    »Renn zum Schutzhaus!«, schrie Ambar. »Nicht zur Dachkante!« Ihre Stimme überschlug sich. Ein metallischer Gong ließ Tobbs ahnen, dass die zweite Schwarmfrau nun den Schutzturm angriff. Hinter sich hörte er das Rauschen von Schwingen. Er biss die Zähne zusammen und tastete nach den Opferschalen. Seitenstechen nahm ihm die Luft und seine Lunge brannten. Er stieß sich mit einer Drehung ab und wirbelte herum. Wie ein Diskuswerfer ließ er erst die eine Schale los und bei der nächsten Drehung die zweite. Die erste verfehlte seine Verfolgerin um fast einen Meter und landete mit einem scheppernden Geräusch in einem Schutzhaus. Die zweite aber flog genau auf das Gesicht zu. In der Sekunde, in der Tobbs sich noch drehte, sah er, wie die Frau in der Luft nach der Schale schnappte – und sie ebenfalls verschlang, als wäre es nur ein Brotstück. Ihr Hals beulte sich an der Stelle, an der der schwere Stein hindurchglitt. Nun kam die nackte Angst. Sie wird mich fressen!, schrie eine Stimme in Tobbs’ Kopf. Mit einem schwebenden Satz landete er auf dem Dach und kämpfte sich weiter.
    Dann hörte er ein Heulen. Die Schwärme, die die anderen Dächer angriffen, hielten inne und starrten zu ihm herüber. Seine beiden Verfolgerinnen hatten die Köpfe in den Nacken gelegt und heulten wie die Wölfe. Tobbs schwitzte. Mamsie Matata schrie irgendetwas in seinem Rücken. Mit einem gewaltigen Satz erreichte Tobbs die Stadtmauer, landete zwischen zwei überraschten Wächtern – und stieß sich ein letztes Mal ab. Durch den Schwung drehte er sich in der Luft und sah gerade noch, wie in der Ferne Ambars verblüfftes Gesicht aus seinem Blickfeld verschwand. Alles andere hätte er lieber gar nicht gesehen: Eine der Schwarmfrauen deutete auf ihn, stieß einen hohen Warnton aus, der in seinen Ohren schmerzhaft knackte – und alle – ALLE  – anderen Frauen fletschten die Zähne und stürzten ihm hinterher.
    Schreie fuhren ihm durch Mark und Bein, dann tat sich unter ihm der Abgrund auf. Tobbs machte sich schmal, um schneller zu fallen, aber der Schwebanzug hielt sich stur an seine eigenen Regeln der Schwerkraft und trug ihn in gemäßigtem Tempo dem Boden entgegen. Tobbs war noch dabei, im Fallen verzweifelt nach seinem Messer zu suchen, als schon klauenbewehrte Hände ihn ergriffen und seinen Fall mit einem brutalen Ruck stoppten. Der Sog großer Schwingen nahm ihm fast die Luft. Hände krallten sich in seine Arme und Beine, rissen an seiner Jacke und seinem Haar. Eine Schwarmfrau schnupperte an ihm und leckte ihm mit einer langen, rauen Zunge über die Wange. Tobbs glaubte ohnmächtig zu werden. Er schloss die Augen. Es war aus und vorbei. Er würde sterben, ganz und gar.

ALTE BEKANNTE
    Der Ruck fuhr ihm in die Kniescheiben. Vor Schreck schrie er auf. Doch im nächsten Moment ließen ihn alle Schwarmfrauen los und er stand federleicht, wenn auch mit zitternden Knien, auf hartem Grund. Vorsichtig öffnete er einen Spaltbreit die Augen.
    Er brauchte eine ganze Weile, um zu begreifen, was er da sah. Er war nicht tot, auch wenn seine Arme und Beine schlimm zerkratzt waren und schmerzten. Stattdessen stand er mitten im Wald. Der Mond leuchtete durch die Kronen der niedrigeren Bäume, während sich am Himmel bereits die erste Helligkeit des frühen Morgens abzeichnete. Die Schwarmfrauen hingen kopfüber in den Bäumen wie riesige Fledermäuse und betrachteten Tobbs interessiert. Jetzt erst konnte er sie sich genau ansehen.
    Die Bewegungen ihrer Köpfe waren ruckartig wie bei Vögeln. An ihren Hälsen fältelte sich die Haut eidechsenartig.
    Tobbs gegenüber, lässig an einen der dicken Bäume gelehnt, stand ein blonder Junge mit einem dunklen Käferaugengestell auf der Nase und grinste wie eine Kakerlake. Als er das Gestell herunternahm, sah Tobbs pupillenlose Augen.
    Sid pfiff durch die Zähne und musterte

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