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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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stolpern, falls ihr rennen müsst.«
    Alle legten gehorsam die Mäntel ab, nur Tobbs behielt seinen an. Ambar zuckte nur bedauernd mit den Schultern. Dann öffnete sie die Käfigtür und deutete nach oben. »Zu den Sternen also«, sagte sie feierlich. »Denn heute gehören sie uns allein – und vielleicht wird es das Letzte sein, das wir sehen. Willkommen im Kreise derer, die zum Himmel streben!«
    Die Winde, über die der Käfig an einer Eisenkette nach oben gezogen wurde, wimmerte und quietschte. Tobbs saß in der Mitte des Käfigs am Boden. Im Schacht war es stockdunkel, er konnte nur die angespannten Atemzüge der anderen hören. Er atmete tief ein und langsam wieder aus und versuchte so, seine flatternden Nerven zu beruhigen. Das Dach. Gleich würde er dort sein. Doch mit jedem Quietschen der Eisenkette erschien ihm sein Plan unsinniger und lächerlicher. Nie würde er Sid finden. Im unwahrscheinlichen besten Fall würde er schutzlos außerhalb der Stadt auf dem Boden landen – und dann?
    »Hast du Angst?«, flüsterte ihm Ambar zu. Sie hatte sich neben ihn gesetzt. »Möchtest du nicht doch den Mantel ablegen?«
    »Nein«, flüsterte Tobbs zurück.
    »Schade.« Ambar seufzte. »Die Schwärme können dich besser packen, wenn du einen Mantel trägst.«
    »Du bist oft hier oben, oder?«
    »Sooft ich kann. Es bringt gutes Geld, aber das allein ist es nicht. Manchmal lassen die Schwärme die Stadt wochenlang unbehelligt und dann kann man einfach in den Himmel schauen.«
    »Aber ganz ohne Schwärme fändest du es langweilig, nicht wahr? Du magst es lieber, wenn es gefährlich ist.«
    »Du nicht?«, fragte sie erstaunt.
    Tobbs schüttelte verständnislos den Kopf. Die Gefahr suchen – vielleicht dachten Krieger so. Oder Verrückte.
    »Warum machst du das?«, flüsterte er.
    Sie lachte, doch eine Antwort gab sie ihm nicht.
    Der Himmel über Yndalamor war selbst ohne die Käferaugen so blau, dass der Anblick beinahe schmerzte. Ein kupferfarbener Halbmond schwebte über dem Horizont und der Nachtwind duftete nach frischen Blättern und sonnenheißem Sand. Ambar öffnete die Käfigtür und sprang auf das Dach.
    »Willkommen in der Arena!« Sie lachte und drehte sich um sich selbst, sie schloss die Augen und sog die Luft tief in ihre Lunge.
    Die Spionspiegel, die auf den Dachrändern aufgestellt waren, begannen zu surren und zu klappern und kippten weg wie Menschen, die bewusst den Blick abwenden. Nur ein einziger blieb auf die Gruppe gerichtet. Tobbs hoffte, die anderen würden nicht bemerken, dass sein Spiegelbild nur ein dunkler Schatten war. Vier Wächter, die die Jugendlichen mit düsteren Mienen musterten, verabschiedeten sich mit einem Nicken und verschwanden in einer Art Schutzhaus, das wie ein eiserner Kamin aus dem flachen Dach ragte. Wie Ambar gesagt hatte, befanden sich überall zwischen den einzelnen Schutzhäusern Kreidemarkierungen.
    Tobbs sprang auf das Dach, glücklich, den schaukelnden Käfig verlassen zu können. Der Rest der Gruppe folgte.
    »Viel Glück!«, rief Ambar und rannte los.
    Die anderen begannen zu johlen, trunken vom Himmel. Immer wieder drehten sie sich taumelnd um ihre eigene Achse und staunten über die endlose Weite. Tobbs konzentrierte sich dagegen auf die Stadtmauer. Zwei Häuserdächer weiter zeichnete sie sich schwarz gegen das helle Grau der Baumkronen ab. Keine Schwärme in Sicht. Die anderen wurden immer mutiger. Eines der Mädchen erntete respektvolle Blicke, als es so leise, dass die Wächter es nicht hören konnten, aber laut genug für die Götter, in den Himmel flüsterte: »Kali! Zeig dich, Kali!«
    Tobbs fingerte gerade nach den Opferschalen in seinen Manteltaschen, als Ambar neben ihm auftauchte. Mit erhitzten Wangen, schön wie eine dämonische Wolkenreiterin. »Was stehst du hier denn herum?«, keuchte sie. »Komm mit und sieh dir das an!« Sie ergriff seine Hand und zog ihn einfach mit sich. Gemeinsam rannten sie zum Rand des Daches. »Sieh nur!«, sagte sie andächtig und deutete auf die Gebirgskette am Horizont.
    Dort, wo bald die Sonne aufgehen würde, zeichnete ein schmaler rosa Streif die Zacken der Gipfel nach. Tobbs schluckte. Seine Taverne – irgendwo da draußen.
    »Eines Tages gehe ich dorthin«, sagte Ambar leise. »Ich werde fliegen – wie die Schwärme.« Im Mondschein wurde ihr Gesicht weich und sehnsüchtig.
    »Warum gehst du nicht einfach so in die Berge?«, fragte Tobbs.
    Ambar sah ihn erstaunt an. »Weißt du das denn nicht? Das sind die

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