Die verbotenen Küsse des Scheichs (German Edition)
1. KAPITEL
Arabien 1820, Daar-el-Abbah
S cheich Jamil al-Nazarri, Herrscher von Daar-el-Abbah, las das Dokument sehr sorgfältig. Dabei hatte er wie so oft, wenn er sich konzentrierte, die Stirn gekraust und die Brauen zusammengezogen, was seinem Gesicht einen finsteren Ausdruck verlieh. Dennoch war nicht zu übersehen, dass er ein außerordentlich attraktiver Mann war.
Er trug die traditionelle Kopfbedeckung der Araber: ein Kopftuch, das Ghutra genannt und von einer Kordel, der Agal, gehalten wurde. Beim Lesen hielt er die Lippen fest zusammengepresst, doch ein leichter Schwung in den Mundwinkeln ließ darauf schließen, dass er über Humor verfügte, auch wenn dieser sich vielleicht nicht oft zeigte. Die gerade Nase und das feste Kinn verliehen ihm ein edles, selbstbewusstes Aussehen. Am auffälligsten allerdings waren die Augen, deren je nach Stimmung wechselnde Farbe jeden Europäer unweigerlich an den Herbst erinnern musste.
Es waren diese Augen, die Jamil von anderen gut aussehenden Männern unterschieden und ihn zu einem Menschen machten, den man nicht vergessen konnte.
Als mächtiger Herrscher von Daar-el-Abbah prägte Jamil sich seinen Mitmenschen im Allgemeinen sowieso sehr rasch ein. Schließlich gehörte er zu den wichtigsten Männern der Region. Sein Wüstenreich lag nicht allzu weit von Ägypten und dem Roten Meer entfernt und hatte eine gewisse strategische Bedeutung. Das hatte man ihm von Kind auf immer wieder in Erinnerung gerufen. Er war zum Herrscher geboren und erzogen worden. Und zwar sehr erfolgreich. Denn seit er vor acht Jahren seinem Vater auf dem Thron gefolgt war, hatte er sein Reich mit großem Geschick regiert. Jamil hatte Daar-el-Abbahs Unabhängigkeit gesichert und den Einfluss des Landes vergrößert, ohne sich dabei auf unnötiges Blutvergießen einzulassen.
Das allein bewies, welch geschickter Diplomat er war. Er war aber nicht nur für sein politisches Geschick bekannt, sondern auch dafür, dass man ihn als Feind nicht unterschätzen durfte. Obwohl Jamil den Scimitar, den er stets in einer Scheide am Gürtel bei sich trug, nur selten benutzte, fürchteten seine Gegner das gefährliche Krummschwert. Mit dem vergoldeten, mit Edelsteinen verzierten Griff sah es aus wie ein Kunstgegenstand. Aber tatsächlich handelte es sich um eine tödliche Waffe.
Jetzt stand Jamil auf und begann, das Dokument fest in den Händen haltend, im Thronsaal auf und ab zu gehen. Sein goldfarbener Kaftan schwang bei jedem Schritt und gab den Blick frei auf die weiße Galabija, die er darunter trug. Beide Kleidungsstücke konnten nicht verbergen, wie athletisch er gebaut war und wie kraftvoll und gleichzeitig geschmeidig er sich bewegte. Tatsächlich erinnerte vieles an ihm an den Panther, der sein Wappentier war.
„Ist etwas nicht in Ordnung, Hoheit?“
Halim, sein Berater, stellte die Frage vorsichtig. Er war das einzige Mitglied des Ältestenrats, das es überhaupt wagte, den Fürsten unaufgefordert anzusprechen. Allerdings war auch ihm bewusst, dass er dem Scheich nicht wirklich nahestand, obwohl er dessen Vertrauen genoss.
„Der Ehevertrag erscheint mir in jedem Punkt vernünftig“, gab Jamil zurück.
„Wie Sie sehen, Hoheit, sind all Ihre Bedingungen erfüllt worden“, sagte Halim erleichtert. „Die Familie der Prinzessin Adira hat sich äußerst großzügig gezeigt.“
„Nicht ohne Grund“, stellte Jamil fest. „Diese Ehe bringt der Familie große Vorteile. Vorteile, die kaum damit aufzuwiegen sind, dass man mir die Schürfrechte für eine Diamantenmine einräumt.“
„Sehr wohl, Hoheit.“ Halim verbeugte sich. „Wenn Sie also zufrieden sind, könnten wir zur Unterzeichnung des Dokuments kommen?“
Jamil nahm wieder auf seinem Thronsessel Platz. Es handelte sich um einen niedrigen Stuhl, dessen Sitzfläche mit Samt bespannt war. Die Füße hatten die Form von zwei liegenden Löwen und waren aus reinem Gold. Die ebenfalls goldene Rückenlehne erinnerte an die Strahlen der aufgehenden Sonne. Es handelte sich um einen sehr alten Thron, auf dem schon viele Generationen von Herrschern gesessen hatten. Diejenigen – behauptete die Überlieferung –, die ihn zu Unrecht beanspruchten, fielen innerhalb eines Jahres nach der Machtergreifung einem Fluch zum Opfer.
Der verstorbene Fürst war nicht müde geworden, die Bedeutung des Throns zu betonen. Stolz hatte ihn erfüllt, weil er darauf sitzen durfte. Jamil hingegen beklagte insgeheim, wie unbequem das alte Stück war. Aber da es
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