Die verbotenen Küsse des Scheichs (German Edition)
einige Tage später traf Scheich Ramiz in Daar ein. Zu Celias größter Freude hatte er die kleine Bashirah und ihr Kindermädchen mitgebracht.
In der Nacht nach der Ankunft der neuen Gäste ritt Jamil allein in die Wüste hinaus. Er wollte ein Heiligtum aufsuchen, von dem er durch seinen Vater erfahren hatte, und dort ein Ritual ausführen, das er einer uralten Schrift entnommen hatte. Dieses Buch wurde stets unter Verschluss gehalten, denn sein Inhalt widersprach in vielem den Gesetzen des Islam, die in Daar-el-Abbah ebenso Geltung hatten wie in den benachbarten arabischen Ländern.
Jamil hatte diese Nacht gewählt, weil der Mond voll und rund am Himmel stand, was allgemein für ein gutes Omen gehalten wurde.
Am Heiligtum angekommen, zog er den Siegelring vom Finger. Er hatte ihn seit dem Tag getragen, da er das Erbe seines Vaters angetreten hatte. Das Schmuckstück bedeutete ihm viel. Es war ein Symbol für seine Herrschaft über Daar-el-Abbah, für seine Macht, seinen Einfluss und seinen Reichtum. Aber er hatte beschlossen den Ring zu opfern für etwas, das ihm mehr bedeutete: Cassies Leben.
Er legte den Ring in die Mitte der Felsplatte, die seit Urzeiten als Altar diente. Dann öffnete er seine Galabija, nahm seinen Dolch und ritzte die Haut direkt über seinem Herzen. Dabei murmelte er die magischen Worte, die er dem Buch entnommen hatte. Blut tropfte auf den Altar. Jamil breitete die Arme aus, legte den Kopf in den Nacken, schaute den Mond an und sprach laut seinen größten Wunsch aus. „Lass meine Liebe zu ihrer Heilung beitragen“, schloss er.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn so plötzlich ein starker Schwindel überfallen würde. Das Blut rauschte in seinen Ohren, und ihm wurde schwarz vor Augen. Seine Beine gaben nach, und er fiel vor dem Altar auf die Knie. Noch immer bildeten sich dicke Blutstropfen auf der Schnittwunde, fielen zu Boden und malten dunkle Muster in den hellen Sand. Kraftlos sank Jamil noch mehr in sich zusammen. Als er das Bewusstsein verlor, strich eine weiße Eule – von jeher der Bote des Übernatürlichen – über ihn hinweg.
Im gleichen Moment schlug Cassie im Palast von Daar die Augen auf.
Die Sonne ging gerade auf, als Jamil in den Palast zurückkehrte.
Dort herrschte ein solches Durcheinander, dass er einen schrecklichen Moment lang fürchtete, Cassie sei gestorben. Doch dann lief Celia auf ihn zu, und er erkannte an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie etwas Gutes zu berichten hatte. In heller Aufregung griff sie nach seinem Ärmel – was ganz und gar untypisch für sie war – und rief: „Das Fieber ist gesunken. Sie schläft jetzt, und man kann sehen, dass es ein erholsamer Schlaf ist. Oh Jamil, ich glaube, sie wird wieder gesund.“
Er folgte Celia zu Cassies Schlafgemach, wagte aber nicht einzutreten. Auf gar keinen Fall wollte er die Kranke wecken. So viel Liebe erfüllte ihn, so viel Zärtlichkeit, dass er sich nicht sicher war, ob er sich würde damit begnügen können, Cassie nur anzuschauen, wenn er zu ihr an den Diwan trat. Also sah er sie nur von Weitem liebevoll an.
Eine kleine Hand schob sich in seine große. Linah hatte sich zu ihm gesellt. „Es geht ihr besser, Baba“, flüsterte sie. „Nun brauchst du nicht mehr traurig zu sein.“
Jamil beugte sich zu seiner Tochter hinab, zog sie an sich und hielt sie ein paar Minuten lang fest. „Wir brauchen jetzt beide nicht mehr traurig zu sein“, sagte er.
Nachdem er sich gewaschen und umgekleidet hatte, kehrte Jamil zu Cassie zurück. Stundenlang wachte er an ihrem Krankenlager. Sie schlief. Er wachte. Und als sie endlich die Augen öffnete und sprach, konnte er es im ersten Moment kaum glauben.
„Jamil …“ Ihre Stimme war schwach, fast zu leise, um gehört zu werden.
Er beugte sich ein wenig vor, musterte besorgt ihr geliebtes Gesicht, das noch immer so erschreckend blass war. Ihre Augen allerdings strahlten. Nie waren sie ihm schöner erschienen. Und wie glücklich machte es ihn, dass sie nicht mehr vom Fieber glänzten!
Sie blinzelte. Noch immer fühlte sie sich sehr müde. Dabei wusste sie, dass sie bis gerade eben geschlafen hatte. Warum also war sie so erschöpft? „Jamil“, fragte sie zaghaft, „warum bist du hier? Was ist geschehen? Warum kann ich meinen Arm nicht bewegen?“
„Dieser Schurke hat dich mit dem Dolch verletzt, als du dich vor mich warfst, um mich zu schützen. Du hast mir das Leben gerettet.“
Die Erinnerung kam zurück. Einzelne verschwommene Bilder
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