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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich um Diebe, Räuber und Halsabschneider handelte, von denen jeder Einzelne den Tod vermutlich hundertfach verdiente, so waren es doch Menschen gewesen. Andrej hatte schon vor
einem Menschenalter aufgehört, zu zählen, wie viele Leben er ausgelöscht hatte. Der Tod war sein Beruf. Aber er hatte es niemals genossen, einen Menschen zu töten, verdient oder nicht, und er hatte kein
einziges Mal irgendetwas daran komisch gefunden.
»Hör auf!«, sagte Andrej, während er sich ein letztes Mal mit dem
Handrücken über die Augen fuhr und vergeblich versuchte, auch
noch das allerletzte Sandkorn loszuwerden, und zugleich das Schwert
in die Scheide schob, die unter seinem sandbraunen Kaftan verborgen war.
»Wieso?«, erkundigte sich Abu Dun, während sein Grinsen nur
noch breiter wurde. Noch ein bisschen mehr, dachte Andrej verärgert, und er lief Gefahr, seine eigenen Ohrläppchen zu verschlucken.
»Ich dachte, du liebst das Balletttanzen. So, wie du auf den Zehenspitzen herumgetänzelt bist, könntest du es am Hofe des Kalifen zu
großem Ruhm und noch größerem Reichtum bringen, weißt du das?«
Er grinste unerschütterlich weiter, brachte dabei aber das Kunststück
fertig, zugleich fragend die Stirn in Falten zu legen. »Natürlich nur
so lange, bis der Kalif beschließt, dich in seinen Harem aufzunehmen. Schließlich…«, sein Lächeln erlosch und machte jetzt einem
fast nachdenklichen Ausdruck Platz, »hört man, dass er nicht abgeneigt ist, über gewisse kleine Unterschiede zwischen männlichen und
weiblichen Tänzern hinwegzusehen.«
Er schien nun doch einzusehen, dass er dabei war, den Bogen zu
überspannen, und wurde schlagartig ernst. »Was war gerade los mit
dir, Hexenmeister? Wenn ich dich nicht gewarnt hätte, hätte dieser
Kerl dir den Kopf abgeschlagen. Wirst du allmählich alt?«
Andrej beschloss, den letzten Teil seiner Frage zu ignorieren.
»Wenn du mich nicht abgelenkt hättest«, antwortete er scharf, »wäre
ich nicht gestürzt und hätte den Kerl erwischt, statt ihm nur das Bein
zu brechen.«
»Ja, sicher«, pflichtete ihm Abu Dun mit ernstem Gesicht bei, während er sich ächzend von seiner improvisierten Stütze erhob. »Und
meine Mutter ist eine unberührte Jungfrau, die nur Allah selbst gehörte.« Er machte ein betroffenes Gesicht und kratzte sich am Schädel. Es klang wie Kreide, die über harten Fels schrammte. »Halt!
Diese verrückte Geschichte haben, glaube ich, schon andere für sich
beansprucht.«
Andrej gab es auf. Wenn Abu Dun in einer Stimmung wie dieser
war, dann hatte es überhaupt keinen Sinn, ihn zur Vernunft bringen
zu wollen. Das Beste war, er ließ ihn einfach reden und wartete darauf, dass er von selbst wieder aufhörte. Auch, wenn das Stunden
dauern konnte.
Statt dieses unsinnige Gespräch also fortzusetzen, klopfte er sich
mit Bewegungen, von denen er selbst merkte, wie affektiert sie wirkten, den Sand aus den Kleidern und versuchte, den verrutschten Turban wieder zu ordnen, während er auf Abu Dun zuging. Der Nubier
sah ihm immer noch unerschütterlich grinsend entgegen, aber Andrej
kannte ihn zu gut, als dass ihm der Ausdruck mühsam unterdrückter
Sorge in seinen Augen entgangen wäre.
»Also?«, fragte Abu Dun, plötzlich in sehr ernstem Ton. »Was war
los?«
»Nichts«, beharrte Andrej, nur, um gleich darauf mit den Schultern
zu zucken und etwas leiser hinzuzufügen: »Ich musste an etwas denken, was ich dir gesagt habe, vor ziemlich langer Zeit. Und an ein
Versprechen, das du nicht gehalten hast.«
»Ich halte meine Versprechen immer«, antwortete Abu Dun beleidigt. »Manchmal dauert es eben nur eine Weile… Was für ein Versprechen?«
»Ich hatte dich gefragt, ob du einen Ort auf der Welt kennst, an
dem Frieden herrscht«, antwortete Andrej, was vielleicht nicht ganz
der Wahrheit entsprach, aber offensichtlich ausreichte, um den Nubier an den schrecklichen Moment auf dem höchsten Turm der Festung St. Elmo zu erinnern, wie er an dem Ausdruck plötzlicher Betroffenheit erkannte, der über Abu Duns Züge huschte und dann genauso schnell wieder verschwand. »Du hast gesagt, du würdest einen
solchen Ort kennen und mich dorthin bringen.«
Das hatte er Andrej ganz und gar nicht gesagt, aber Abu Dun sparte
es sich, diesen Fehler zu korrigieren. Stattdessen grinste er nur noch
einmal und - obwohl es Andrej noch vor einem Moment für unmöglich erklärt hätte - noch breiter und machte dann eine weit ausholende Geste mit der flachen Hand, wie

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