Die Verführung der Mrs. Jones
1
Die Musik begann genau in dem Moment, als die Frau den Raum betrat. Sie sah sich kurz um, als wolle sie sich der Aufmerksamkeit der Anwesenden versichern, dann setzte sie elegant einen Fuß vor den anderen und schritt langsam auf das Ende der Theke zu. Sandra kniff die Augen zusammen und nahm einen Schluck Whisky Sour. Sie beobachtete die andere, die sich mit katzenhaftem Gang durch das Spalier der Blicke auf sie zubewegte. Das enganliegende dunkle Kleid mit den langen Ärmeln betonte ihre Kurven. Mit einem breiten Grinsen setzte sie sich neben Sandra und strich den Rock glatt.
„Na, Spaß gehabt?“ Sandra nahm noch einen Schluck und versuchte, gelassen zu wirken. Auch wenn es ihr widerstrebte, sie musste zugeben, dass ihre Freundin Katharina eine unglaubliche Ausstrahlung besaß. Allein die Art, wie sie auf ihren hohen Absätzen balancierte. Ich wäre schon zehnmal umgeknickt, dachte sie. Die andere beugte sich zu ihr vor und legte ihr die Hand auf den Oberschenkel. Ihre Augen blitzten übermütig.
„Du hast was verpasst: Er war groß, hart, salzig.“
Sandra griff nach ihrem Glas und reichte es der anderen.
„Trink was, Katharina. Dein Atem riecht total nach Sperma.“
Die Frau nahm das Glas und leerte es in einem Zug. Provokant hauchte sie Sandra an, dann warf sie mit gurrendem Lachen ihre dunkle Mähne zurück. Der Barkeeper stellte wortlos zwei neue Drinks vor ihnen ab und wies mit dem Kopf in die Richtung, aus der Katharina gekommen war. Der Mann dort hob sein Glas und prostete ihnen zu. Er hatte ein markant geschnittenes, schmales Gesicht mit großen Augen. Genau das mochte sie. Sandra nickte freundlich zurück und trank. Katharina stupste sie an.
„Nun geh schon zu ihm rüber. Ist ein guter Typ. Kann gut küssen. Wirklich.“
„Nein, danke. Ich bin kein Zweitverwerter.“
Sandra lehnte sich zurück. Es war immer das Gleiche mit Katharina. Sie arbeiteten in derselben Redaktion, Katharina war ihre Chefin. Auf der einen Seite machte es total Spaß, gemeinsam mit ihr auf die Piste zu gehen, und sie verstanden sich wirklich blendend. Aber spätestens, wenn sie einen Mann kennenlernten, fing der Stress an. Sandra seufzte. Das kommt davon, wenn zwei Frauen auf denselben Typ Kerl stehen, überlegte sie und suchte nun doch den Blickkontakt zu Katharinas Spielgefährten. Doch der war anscheinend gerade mit seinem Handy beschäftigt und bemerkte ihren Annäherungsversuch nicht. Ihre Freundin rückte an sie heran.
„Spießiges Ding.“ Es klang wie das Zischen einer Schlange.
Katharina nahm ihr Glas und stieg umständlich vom Barhocker. Es war offensichtlich, dass sie keinen Slip trug und wusste, dass die Männer um sie herum das auch bemerkten. Sich ihrer Wirkung vollkommen im Klaren, schenkte sie dem Barkeeper ein bezauberndes Lächeln und schlenderte zu ihrer Eroberung herüber. Von Sandra nahm sie keine Notiz mehr. Der Barmann blickte ihr nach, dann stellte er Sandra einen kleinen Teller mit Oliven hin. Es war offensichtlich, dass er Sandra mochte, und sie war ja auch oft hier.
„Es geht mich ja nichts an, aber …“
„Stimmt.“ Sie nahm sich eine Olive und kramte einen Geldschein hervor. „Es geht dich absolut nichts an, Ramon.“
Sandra nagte an der Olive herum und sah durch den Barkeeper hindurch. Sie hatte sich so auf diesen Abend gefreut. Bald war ihr Geburtstag, und sie hatte überlegt, mit ein paar Leuten hier zu feiern. Nicht am Geburtstag selbst, da war sie geschäftlich auf Reisen, aber wenn sie aus Vietnam zurück war. Das hatte sie mit Katharina durchsprechen wollen … Sie seufzte. Dass diese sich sofort wieder auf die Jagd begab, war so nicht geplant gewesen. Sandra nahm einen erneuten Schluck Whiskey Sour und schaute nun doch zum anderen Ende der Bar, wo Katharina und ihr Neuzugang herumturtelten. Noch eine Olive. Die schmeckte zwar überhaupt nicht zum Longdrink, aber gerade das passte jetzt zu ihrer Stimmung. Sandra verzog das Gesicht. Der Barmann baute sich vor ihr auf, hüstelte. Sie schenkte ihm ein mildes Lächeln.
„Wolltest du nicht was besprechen? Stichwort Tischreservierung?“
Sandra betrachtete ihn ausgiebig. Es war offensichtlich, dass er arabische Wurzeln hatte. Ein schöner Mann mit dunklem Teint und kurzem, leicht gekräuseltem Haar. Seine großen schwarzen Augen fixierten Sandra. Sie leerte ihr Glas, überlegte kurz und antwortete dann: „Ich muss noch einmal über den Termin nachdenken. Danke.“
Sandra ließ sich vom Barhocker gleiten und zog
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